Bilanzrede von Bundesratspräsidentin Malu Dreyer am 22. September 2017 Zusammen sind wir Deutschland und zusammen sind wir Europa

- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Herren und Damen,
liebe Kollegen und Kolleginnen,

bewegte und bewegende Monate sind vergangen, seit ich für Rheinland-Pfalz die Präsidentschaft des Bundesrates übernommen habe. Im Blick zurück möchte ich mit einem Dank beginnen.

Stellvertretend für alle gilt mein besonderer Dank der Direktorin des Bundesrates:

Liebe Ute Rettler, Sie haben zusammen mit Ihrem Team dafür gesorgt, dass die Präsidentin stets gut vorbereitet, klug begleitet und bestens umsorgt war bei all den großen und kleinen Aufgaben und Veranstaltungen, die ein solches Jahr mit sich bringt.

Jedem und jeder Einzelnen der Bundesratsverwaltung sei hier herzlich und ausdrücklich Danke gesagt!

Mein Dank gilt auch meinen Stellvertretern, Michael Müller und Stanislaw Tillich, die den Bundesrat vertreten haben, wenn es mir terminlich nicht möglich war. Und mit denen mir die gemeinsame Sitzungsleitung viel Spaß gemacht hat.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

mein Amt als Bundesratspräsidentin trat ich unter dem Eindruck der Brexit-Entscheidung und eines polarisierenden Präsidentschaftswahlkampfs in den USA an.

In Deutschland wie in ganz Europa hetzten Populisten immer schriller gegen "die Medien", "die Politiker", gegen Geflüchtete oder politisch Andersdenkende. Dem bin ich als Bundesratspräsidentin entgegengetreten. Deshalb habe ich das Präsidentschaftsjahr unter ein Motto des Zusammenhalts gestellt: Zusammen sind wir Deutschland.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

das Jahr der rheinland-pfälzischen Präsidentschaft war politisch und gesellschaftlich sehr herausfordernd:

Fast keine Plenarsitzung haben wir in den zurückliegenden 11 Monaten begonnen, ohne dass wir Opfern von islamistisch motivierten Terroranschlägen gedenken mussten.

Es gab gewaltsame Proteste gegen den G20-Gipfel in Hamburg, Hetze gegen Mitglieder der Bundesregierung und Übergriffe auf Flüchtlingsunterkünfte. Wir dürfen nicht zulassen, dass Hass und Gewalt ihr Ziel erreichen, die Gesellschaft zu spalten. Das schaffen wir nur, wenn wir dafür eintreten, dass aus Ängsten und Wut kein Hass wird.

"Wir müssen die Wut und den lautstarken Protest aushalten und ihm mit den Stärken der Demokratie begegnen: Dem Zuhören, dem Zusammenführen von unterschiedlichen Interessen und der Suche nach einer positiven Zukunftsvision", so habe ich es in meiner Antrittsrede formuliert und das ist mein Leitmotiv.

Und ich bin dankbar, dass mir das Amt die Gelegenheit gegeben hat, dafür mit klarer Haltung zu stehen! Denn wir leben in einer stabilen Demokratie, die jeden einzelnen von uns schützt und wertschätzt. Das gilt es zu bewahren und zu verteidigen!

Deshalb sage ich auch hier: liebe Bürger und Bürgerinnen: Gehen Sie übermorgen zur Wahl! Jeder Wähler, jede Wählerin entscheidet mit seiner Stimme über die Politik der kommenden vier Jahre. Nutzen Sie dieses hart erkämpfte Recht!

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

und doch gab es in diesem Jahr auch viele Momente der Zuversicht. Es scheint ein Weckruf durch Europa gegangen zu sein.

Bei den wichtigen Wahlen in den Niederlanden, in Frankreich, in Großbritannien wurde der Vormarsch der Populisten gestoppt.

Die Identifikation mit Europa scheint wieder gewachsen zu sein. Aus der Mitte der Gesellschaft heraus ist die Bewegung "Pulse of Europe" entstanden, die seit Monaten zeigt, dass "Europa" mehr ist als eine Idee, deren Vorteile man rational erfassen kann.

Europäer / Europäerin zu sein ist ein Lebensgefühl, für das es sich lohnt, auf die Straße zu gehen.

In den 60 Jahren seit der Unterzeichnung der Römischen Verträge ist es gelungen, die Geschicke auf unserem Kontinent gemeinsam und zum Wohle der Menschen weiterzuentwickeln. Europa ist als Friedensprojekt nicht zu ersetzen. Dieser Gedanke muss weiterhin Strahlkraft entfalten und Maßstab unseres Umgangs miteinander sein.

Wir haben im vergangenen Jahr auch auf politischer Ebene den Zusammenhalt in Europa gefeiert.

In Gesprächen mit den Staats- und Regierungschefs konnte man gleichsam mit Händen greifen, wie sehr darauf gesetzt wird, ein solidarisches Europa zu erhalten und zu stärken.

Dabei sind die Herausforderungen im Äußern sowie antidemokratische Haltungen und eine Entsolidarisierung im Innern der EU weiterhin nicht gebannt.

Die Zukunft der Demokratie liegt auch in den Händen der Jugend. Daher war es mir ein besonderes Anliegen, gezielt gerade auch mit Jugendlichen zu diskutieren, welche Erwartungen sie an die Zukunft, aber auch an uns als politische Entscheidungsträger haben.

Ich habe gespürt, dass viele Menschen, gerade auch junge, ein Bedürfnis nach dem Dialog mit der Politik haben, dass sie sich einbringen und konstruktiv streiten wollen. Das stimmt mich optimistisch.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

das Amt der Bundesratspräsidentin ist mit vielen protokollarischen Terminen verbunden, bei denen man dem Bundesrat ein Gesicht und auch eine Stimme verleiht.

Mit Joachim Gauck haben wir dieses Jahr ein Staatsoberhaupt verabschiedet, das uns immer wieder daran erinnert hat, wie kostbar Freiheit ist, und das leidenschaftlich dafür warb, Vielfalt als Reichtum für unsere Gesellschaft zu begreifen. Und Frank-Walter Steinmeier hat seit seinem Amtsantritt deutlich gemacht, dass er für unsere Demokratie streiten will.

Als Vertreterin der Länder beide Präsidenten würdigen zu dürfen, war sicherlich einer der Höhepunkte dieses Amtsjahres.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

nicht nur aus Tradition, sondern aus tiefer Überzeugung möchte ich hervorheben, welch große Errungenschaft der Föderalismus für unsere Demokratie darstellt. Er ist eine wesentliche Grundlage für den Zusammenhalt.

Denn es ist es uns auch im vergangenen Jahr gelungen, große und schwierige Gesetzgebungsverfahren im Ringen zwischen Ländern, Bundesregierung und Bundestag zu guten und konstruktiven Lösungen zu bringen.

Ich erinnere hier an die gesetzlichen Änderungen zur Parteienfinanzierung oder das Gesetz zur Ehe für alle, die beide durch Bundesratsinitiativen angestoßen wurden.

Alle diese erfolgreichen Entscheidungsfindungen sind ein Aushängeschild für unsere Demokratie:

Denn die Demokratie lebt vom Kompromiss – und wir haben sichtbar gemacht, dass 16 Länder mit unterschiedlichen Interessen, Ansichten und Erfahrungen in der Lage sind, sich konstruktiv untereinander zu einigen. Der Bundesrat ist kein Blockadeinstrument.

Und der Bundesrat ist trotz – oder vielleicht auch wegen – der Vielzahl der in ihm vertretenen politischen Koalitionen um Ausgleich bemüht und lösungsorientiert.

Wenn wir mit gegenseitigem Respekt für die Position des anderen in den Austausch treten, erzielen wir ein gesellschaftlich breit akzeptiertes Ergebnis und treten so der gesellschaftlichen Polarisierung entgegen.

Zur gesellschaftlichen Akzeptanz des Föderalismus in der Bundesrepublik trägt bei, dass er in den letzten 70 Jahren nie erstarrt ist. Er wurde immer wieder modernisiert.

Erst vor wenigen Monaten haben wir mit dem Gesetzespaket zur Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein jahrelanges, zum Teil mühsames Reformvorhaben zu einem sehr guten Abschluss gebracht.

Dass der Bundestag sozusagen auf den letzten Metern noch grundlegende Änderungen am vereinbarten Kompromiss vorgenommen hat, die eindeutig in das Verwaltungshandeln der Länder eingreifen, sehe ich weiterhin kritisch – insgesamt bin ich allerdings sehr zufrieden.

Hier zeigt sich, dass das Projekt "föderale Zusammenarbeit" nie abgeschlossen und immer noch verbesserungswürdig ist.

So werden wir auch heute darüber diskutieren, ob es an der Zeit wäre, im Bereich der Bildung die Zusammenarbeit zwischen Bund und Ländern zu verändern.

Liebe Kollegen und Kolleginnen,

gemeinsam haben wir im vergangenen Jahr ein umfangreiches Programm absolviert:

Mit Blick auf die übermorgen anstehende Bundestagswahl wurden seit Januar allein über 90 Bitten auf fristverkürzte Beratung an den Bundesrat herangetragen. Oft haben wir unter hohem Zeitdruck wichtige Entscheidungen fällen müssen.

Dafür, dass das alles trotz aller Herausforderungen so gut geklappt hat, darf ich Ihnen allen sehr herzlich danken.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

bevor meine Präsidentschaft auch formal endet, habe ich die große Freude, Sie alle zum diesjährigen Tag der deutschen Einheit nach Mainz einladen zu dürfen.

Unter dem Motto "Zusammen sind wir Deutschland" werden wir die Freiheit, die Demokratie und den Zusammenhalt feiern. Wir werden die Vielfalt des Landes Rheinland-Pfalz und die Vielfalt der Bundesrepublik für jeden erfahrbar machen.

Und zum Ende meiner Präsidentschaft und zum Ende meiner Rede sage ich noch einmal voller Zuversicht und mit Vertrauen in das, was uns als Volk verbindet: "Zusammen sind wir Deutschland".

Und ich füge hinzu, als Bürgerin dieses modernen Deutschland, als Rheinland-Pfälzerin, als Angehörige einer Generation, die das große Glück hat, noch nie Krieg erfahren zu haben: Zusammen sind wir Europa!

Ich danke Ihnen.

Stand 22.09.2017

Glossary

Hinweis zum Datenschutz

Sie können hier entscheiden, ob Sie neben technisch notwendigen Cookies erlauben, dass wir statistische Informationen vollständig anonymisiert mit der Webanalyse-Software Matomo erfassen und analysieren. Statistische Informationen erleichtern uns die Bereitstellung und Optimierung unseres Webauftritts.

Die statistischen Cookies sind standardmäßig deaktiviert. Wenn Sie mit der Erfassung und Analyse statistischer Informationen einverstanden sind, aktivieren Sie bitte das Häkchen in der Checkbox „Statistik“ und klicken oder tippen Sie auf den Button „Auswahl bestätigen“. Anschließend wird in Ihrem Browser ein eindeutiger Webanalyse-Cookie abgelegt.

Weitere Informationen zum Thema Datenschutz erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.