Rede von Bundesratspräsidentin Malu Dreyer beim Festakt zum Tag der Deutschen Einheit Zusammen sind wir Deutschland!

- Es gilt das gesprochene Wort -


Welch eine Freude, dass wir seit 27 Jahren vereint und in Frieden in einem freien Europa leben können!

Für die Landesregierung, die Stadt Mainz und alle Rheinland-Pfälzer und Rheinland-Pfälzerinnen ist es eine große Ehre und Freude, in diesem Jahr Gastgeber des Einheitsfestes zu sein.

Ich begrüße Sie alle sehr herzlich:

hier in der Rheingoldhalle, an den Bühnen und Zelten in der Stadt – und natürlich auch all diejenigen, die jetzt am Fernsehen und im Netz mitfeiern.

Ein besonderer Gruß gilt Ihnen,
sehr geehrter Herr Bundespräsident, sehr geehrter Herr Bundestagspräsident Professor Lammert, sehr geehrte Frau Bundeskanzlerin Dr. Merkel, und sehr geehrter Herr Präsident des Bundesverfassungsgerichts, Professor Voßkuhle.

Für das Diplomatische und Konsularische Corps begrüße ich stellvertretend ihren Doyen, den Apostolischen Nuntius in Deutschland, Herrn Erzbischof Dr. Eterović.

Herzlich willkommen heiße ich auch Herrn Bundespräsidenten a.D. Wulf.

Ebenso herzlich begrüße ich alle Minister und Ministerinnen der Bundesregierung und Sie, liebe Kollegen und Kolleginnen Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen.

Mit großer Sorge schauen wir derzeit wieder auf Nordkorea. Umso mehr freue ich mich, dass ich den Vize- Wiedervereinigungsminister der Republik Korea, Herrn Minister Chun, als Gast begrüßen kann.

Ich freue mich ebenfalls, dass viele europäische Gäste unter uns sind. Stellvertretend heiße ich den Ministerpräsidenten der deutschsprachigen Gemeinschaft Belgiens, Herrn Paasch, herzlich willkommen.

Ein besonderer Willkommensgruß gilt natürlich auch Ihnen, sehr geehrte Vorsitzende der im Deutschen Bundestag vertretenen Fraktionen und Parteien, sehr geehrte Präsidenten und Präsidentinnen, Herren und Damen Abgeordnete aus dem Europaparlament, dem Deutschen Bundestag und aus unseren Landtagen.

Für die vielen Männer und Frauen, die in den Kommunen unseres Landes Verantwortung tragen, begrüße ich stellvertretend Michael Ebling, den Oberbürgermeister der gastgebenden Stadt Mainz, unserer Landeshauptstadt.

Ihm, den Kollegen und Kolleginnen in der Verwaltung und den Bürgern und Bürgerinnen in der Stadt danke ich von Herzen, dass wir dieses große Fest gemeinsam ausrichten und feiern können.

In diesen Dank möchte ich alle Polizisten und Polizistinnen einschließen, die zum Teil schon seit Monaten, insbesondere aber in diesen Tagen dafür arbeiten, dass wir friedlich und sicher feiern können. Herzlichen Dank an Sie alle!

Es ist mir eine besondere Freude, dass ich auch hochrangige Vertreter und Vertreterinnen aus Wirtschaft, Wissenschaft, Kultur und Medien, aus der Wohlfahrt, aus dem Sport und den Gewerkschaften sowie aus den Kirchen und Religionsgemeinschaften begrüßen kann.

Ihnen, sehr geehrter Herr Kirchenpräsident Schad, und Ihnen, Herr Bischof Dr. Kohlgraf, danke ich sehr herzlich für den schönen Ökumenischen Gottesdienst, den wir im Hohen Dom zu Mainz gefeiert haben. Er hat uns schon die tiefe menschliche Bedeutung von Freiheit erschlossen.

Meine sehr geehrten Herren und Damen,

viele, die den Tag bewusst miterlebt haben, können noch genau erzählen, wo sie an jenem 9. November 1989 waren, an dem – wie wir sagen – die Mauer fiel. Die friedliche Revolution mutiger Bürger und Bürgerinnen der DDR, aus Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei hatte den eisernen Vorhang, der Europa durchteilte, zerschnitten. Ihr Freiheitswille und ihre Entschlossenheit haben den Weg zur deutschen und zur Europäischen Einigung frei gemacht. Sie haben wahrhaft Großes geleistet!

Dem großen Rheinland-Pfälzer Helmut Kohl ist es damals gelungen, das Vertrauen unserer europäischen Nachbarn und vor allem das von Michail Gorbatschow und George Bush Senior in ein neues, demokratisches und europäisches Deutschland zu gewinnen. Helmut Kohl ist am 16. Juni 2017 verstorben. Dem historischen Lebenswerk des Kanzlers der Einheit und leidenschaftlichen Europäers Helmut Kohl zollen wir auch in dieser Stunde größte Achtung und höchsten Respekt.

Die deutsche Einheit wurde am 3. Oktober 1990 Wirklichkeit. Hunderttausende in ganz Deutschland feierten sie auf den Straßen, die Bilder zeigen ein schwarz-rot-goldenes Fahnenmeer.

In der Pfalz, beim Hambacher Fest im Jahr 1832, schwenkten zum ersten Mal tausende Menschen Schwarz-Rot-Gold für Demokratie, ein geeintes Deutschland und – so nannte es ein Wortführer – „ein konföderiertes, republikanisches Europa“.

Diese drei Farben spiegeln das Streben der Deutschen nach Einheit und Freiheit und die bewegte Geschichte unseres Landes.

Im Sommermärchen der Fußball-Weltmeisterschaft 2006 haben wir uns selbst und der Welt fröhlich gezeigt, wofür unsere Nationalfarben heute stehen: für das großartige Wir-Gefühl in einem weltoffenen und gastfreundlichen Deutschland.

Schwarz-Rot-Gold steht nicht für deutsche Enge, sondern für Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt – in guter Partnerschaft mit unseren europäischen Nachbarn.

In dieser Tradition von Hambach stehen wir und in diese Tradition stellen wir uns. Das sind die Farben unseres Festes!

Wir sollten von dem Glück der deutschen Wiedervereinigung erzählen und so den Tag der Deutschen Einheit feiern. Er ist eine Einladung, den wunderbaren Geschmack gewonnener Freiheit noch einmal zu kosten – gerade weil nach 27 Jahren der Freudentaumel der Wiedervereinigung dem Alltagsglück des vereinigten Deutschlands gewichen ist.

Für die meisten Menschen, die hier leben, ist unser Deutschland aus Ost und West inzwischen selbstverständlich.

Vor allem junge Leute wollen heute ohne Grenzen leben, reisen und arbeiten. Für sie ist ein freies Europa längst zu einem Lebensgefühl geworden.

Wir haben unglaublich viel gemeinsam erreicht. Ost- und Westdeutschland ist zusammengewachsen und tut es weiterhin.

Zugleich müssen wir gemeinsam neue Aufgaben bewältigen. Wir müssen die Menschen integrieren, die in den letzten Jahren zu uns gekommen sind und hierbleiben werden. In manchen Regionen haben Bürger und Bürgerinnen offenbar das Gefühl, ihre Lebensleistung werde nicht gewürdigt und ihre Furcht vor sozialem Abstieg nicht ernstgenommen. Wir müssen Globalisierung gestalten, erleben Krieg um uns herum und Terror im eigenen Land. Der Ausgang der Bundestagswahl hat noch einmal gezeigt: All das stellt unsere politische Kultur auf den Prüfstand.

Es ist gut und wichtig, dass wir darüber debattieren, wer wir zusammen sind und was wir gemeinsam in den nächsten Jahren erreichen wollen. Doch ich habe zunehmend den Eindruck, dass wir in unseren Debatten auf der Stelle treten. Dass wir uns durch die Art und Weise, wie wir sprechen, selbst bremsen. Denn mit großer Energie prallen immer die gleichen Positionen unversöhnlich aufeinander. Oft sind Klicks wichtiger als Argumente. Die Erregung wird zum Maß des Erfolgs.

Wer erwartet eigentlich noch ernsthaft, von Gegenargumenten überzeugt zu werden? Wer ist an Diskussionen wirklich beteiligt und über wen wird nur geredet? Wie müssen sich die Debatten in unseren Parlamenten verändern, damit die Bürger und Bürgerinnen das Vertrauen zurückgewinnen, dass hier leidenschaftlich um die beste Lösung eines Problems gestritten wird? Und wie können Medien trotz des atemberaubenden Drucks, unter dem sie stehen, so berichten, dass Bürger und Bürgerinnen sich tatsächlich ein Urteil bilden können?

Das sind Fragen, die man ehrlich neu stellen muss.

Es ist an der Zeit, aus den gewohnten Mustern herauszutreten.

Wir brauchen einen konstruktiven Streit, einen Stil, der Probleme erkennt, benennt und fair löst – offen, pragmatisch und ohne das Feuer von Eiferern aller Art.

Ich bin überzeugt: Wir haben die besten Chancen, eine gute Zukunft zu gestalten. Wenn wir das, was uns gemeinsam angeht, miteinander und nicht gegeneinander aushandeln.

Das klingt utopisch, widersprüchlich, weltfremd?

Nein, dass Zusammenhalt gelingen kann, wenn man sich den Herausforderungen ehrlich gemeinsam stellt, ist die Grunderfahrung von Rheinland-Pfalz. Auch unser Land musste zusammenwachsen, als es 1947, also genau vor 70 Jahren, gegründet wurde. Die Menschen hier an Rhein und Mosel, im Westerwald und in der Eifel, im Hunsrück, in Rheinhessen und in der Pfalz haben bewiesen, dass man viel erreichen kann, wenn man an einem Strang zieht, wenn Tradition und Moderne zusammen finden. Vielfalt ist kein Hindernis, das haben wir gehört: Vater Rhein hat einen bunten Migrationshintergrund.

Ich freue mich sehr, dass die ehemaligen Ministerpräsidenten Professor Bernhard Vogel und Kurt Beck heute hier sind, die diese Entwicklung über Jahre mit gestaltet haben.

Meine Herren und Damen,

eine Zukunftsvision, die darauf setzt, das Gemeinsame in der Gesellschaft in konstruktivem Streit auszuhandeln, ist kein Luftschloss, sondern steht auf festem Grund – genau dem, den wir heute feiern: Freiheit, Demokratie und Zusammenhalt. Es geht darum, unsere Grundwerte, die aus unserer geschichtlichen Erfahrung gespeist und im Grundgesetz niedergelegt sind, gemeinsam mit Leben zu füllen.

Zusammen sind wir Deutschland!

Ich setze dabei besonders auf junge Leute. Ich setze auf all diejenigen, die, in welchem Lebensalter auch immer, jung und quer denken und mit ihren Ideen unsere Wirtschaft, unsere Kultur und unsere Demokratie stark machen.

Aus allen 16 Ländern sind Delegationen von Bürgern und Bürgerinnen hier, die genau dafür stehen – danke, dass Sie unsere Einladung angenommen haben!

Ja, wir leben in stürmischen Zeiten. Aber wir haben allen Grund für Zuversicht. Die Erfahrung des 3. Oktober ist doch: Zusammen können wir auch unüberwindlich scheinende Hindernisse überwinden und große Ziele erreichen.

In diesem Sinne wünsche ich Ihnen einen frohen Tag der Deutschen Einheit in Mainz und heiße Sie alle nochmals sehr herzlich willkommen.

Stand 03.10.2017

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