Beschluss
Länderinitiative für Corona-Sonderregel im Strafprozess
Niedersachsen, Sachsen-Anhalt und Bremen wollen mit einer Länderinitiative die Bundesregierung dazu bewegen, einen Gesetzentwurf zur Wiedereinführung der Corona-Sonderregelung in § 10 EGStPO vorzulegen. Sie war in der Corona-Pandemie eingeführt worden und galt vom 28. März 2020 bis zum 30. Juni 2022. Die Sonderregel erlaubte es den Gerichten, unabhängig von der Dauer der durchgeführten Hauptverhandlung, strafgerichtliche Hauptverhandlungen über die geltenden Unterbrechungsfristen hinaus zusätzlich für die Dauer von bis zu zwei Monaten zu unterbrechen.
Ausschussberatungen
Eine entsprechende Initiative haben die drei Länder in der Plenarsitzung am 16. September 2022 vorgestellt. Der Bundesrat hat die Vorlage zur weiteren Beratung in den Rechtsausschuss überwiesen. Wenn dieser seine Empfehlungen für das Plenum erarbeitet hat, kommt der Vorschlag wieder auf die Plenartagesordnung, dann zur Frage, ob der Bundesrat die Entschließung fassen und der Bundesregierung zuleiten will.
Hintergrund: Beschleunigungsgebot
Damit Strafprozesse möglichst zügig zum Abschluss gebracht werden, regelt die Strafprozessordnung, wie viel Zeit zwischen den einzelnen Verhandlungstagen liegen darf - in der Regel drei Wochen, nach 10 Verhandlungstagen bis zu einem Monat und etwa bei Erkrankung von Richterinnen und Richtern bis zu zwei Monaten. Ist eine Fortsetzung nach den vorgeschriebenen Abständen nicht möglich, muss die Hauptverhandlung ausgesetzt und wieder neu begonnen werden.
Allgemeine Regelungen nicht ausreichend
Die COVID-19-Pandemie und die dagegen getroffenen Schutzmaßnahmen beträfen weiterhin die Abläufe strafgerichtlicher Hauptverhandlungen. Die in der Strafprozessordnung vorgesehenen Möglichkeiten zur Hemmung der Unterbrechungsfristen bei strafgerichtlichen Hauptverhandlungen seien daher weiterhin nicht ausreichend, warnen die antragstellenden Länder. Sie würden der aktuell weiterbestehenden pandemischen Situation nicht gerecht.
Sonderregelung in der Praxis bewährt
Die Praxis habe verdeutlicht, dass § 10 EGStPO hilfreich gewesen sei, denn so hätten zahlreiche Aussetzungen und vollständige Neuverhandlungen vermieden werden können. Diese Möglichkeit solle beibehalten werden. Für die an der Hauptverhandlung beteiligten Personen bestehe weiter ein großes Infektionsrisiko. Zudem sei es durch Verhandlungen auch zu Kettenansteckungen gekommen, die eine Hemmung der Unterbrechungsfrist erforderlich machten. Diese Gefahr bestehe nach wie vor und rechtfertige daher einen Anwendungsbereich, der kein Mindestmaß an Verhandlungstagen voraussetze.
Mehr Opferschutz, effektivere Strafverfolgung, Entlastung der Haushalte
Die Wiedereinführung der Vorschrift führe durch Vermeidung eines Neubeginns der Hauptverhandlung zu mehr Opferschutz, verbesserter Wahrheitsfindung, effektiverer Strafverfolgung und insbesondere im Hinblick auf den Beschleunigungsgrundsatz zu mehr Schutz der Rechte der Angeklagten. Nicht zuletzt könne durch die Vermeidung der vollständigen Wiederholung der Hauptverhandlung auch die Justiz und der dazugehörige Haushalt entlastet werden, heißt es in der Entwurfsbegründung.
Stand: 16.09.2022