31.05.2002

Kritische Stellungnahme des Bundesrates zum Sozialbericht 2001 der Bundesregierung

Eine kritische Stellungnahme hat der Bundesrat heute zum Sozialbericht 2001 der Bundesregierung beschlossen. Kennzeichnend für den Bericht sei eine durchgehende Schönzeichnung der Politik der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode, verbunden mit einer rein negativen Darstellung der Sozialpolitik der früheren Bundesregierung.

Der Bundesrat folgte einem Antrag der Länder Bayern, Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen, in dem exemplarisch auf die unausgewogene Darstellung des Berichts in einzelnen Bereichen verwiesen wird.

Der Bericht erwecke den unzutreffenden Eindruck, die Bundesregierung habe in den Jahren 1998 bis 2001 einen wirksamen Beitrag zum Abbau der Arbeitslosigkeit in Deutschland geleistet. Der Bericht verschweige jedoch, dass dieser Rückgang in erster Linie auf die positive Entwicklung der Weltkonjunktur zurückzuführen war, von der die exportorientierte deutsche Wirtschaft in besonderem Maße profitiert habe. Der Bundesregierung sei es in diesen Jahren nicht gelungen, einen Abbau der strukturellen Arbeitslosigkeit in Gang zu bringen. Der Anstieg der Arbeitslosenzahlen seit Mitte 2001 sei deshalb zu einem wesentlichen Teil eine Konsequenz der gescheiterten Beschäftigungs- und Arbeitsmarktpolitik der Bundesregierung. Sachverständigenrat, Wirtschaftsinstitute, internationale Institutionen, der vom "Bündnis für Arbeit, Ausbildung und Wettbewerbsfähigkeit" unter Federführung der Bundesregierung initiierte Bericht "Benchmarking Deutschland" und die EU-Kommission mahnten deshalb seit geraumer Zeit zielführende strukturelle Reformen in Deutschland an. Die meisten Gesetzesänderungen der Bundesregierung hätten allerdings zur Verschlechterung der beschäftigungspolitischen Rahmenbedingungen beigetragen.

Auch im Bereich der Bildungspolitik wirft der Bundesrat der Bundesregierung Versäumnisse vor. Eine grundlegende Reform der Sozialhilfe hin zu einem aktivierenden und fordernden Leistungssystem sei bislang unterblieben. Strukturelle und beschäftigungsorientierte Reformen seien bei Arbeitslosen- und Sozialhilfe offenbar mit Rücksicht auf die Bundestagswahl im Herbst 2002 zurück gestellt worden. Die Politik "der ruhigen Hand" der Bundesregierung sei um so unverständlicher, als im Bundesrat bereits frühzeitig konkrete Vorschläge unterbreitet worden seien.

Der von der Bundesregierung vorgelegte Sozialbericht zeichne ein verzerrtes Bild der Situation in Deutschland. Um über die Schwächen und Fehler ihrer Politik hinwegzutäuschen, bediene sich die Bundesregierung in dem Bericht einer Schwarzweiß-Darstellung. Während die Sozialpolitik der vorherigen Bundesregierung einseitig negativ beschrieben werde, färbe der Bericht die Politik der Bundesregierung in dieser Legislaturperiode durchgehend schön. Dies gelte in besonderem Maße für die Aussagen zur Steuerpolitik. Die Bundesregierung behaupte, sie habe die soziale Gerechtigkeit zu einer Kategorie der Steuerpolitik gemacht. Das Gegenteil treffe zu. Im Berichtszeitraum reihten sich steuerpolitische Fehlentscheidungen aneinander, deren Wirkungen nicht nur volkswirtschaftlich schädlich, sondern vor allem auch sozial unausgewogen seien. Mittlerweile sei Deutschland zum Wachstumsschlusslicht in Europa geworden. Trotz eines sich abzeichnenden weltweiten Aufschwungs sei eine Besserung der konjunkturellen Lage in unserem Land nach wie vor nicht in Sicht. Die Arbeitslosigkeit sei mit über 4 Millionen Arbeitslosen weiterhin unerträglich hoch. Strukturelle Reformen des Sozialstaats seien überfällig. Die letzten vier Jahre seien geprägt von falschen Weichenstellungen, die die Standortbedingungen und die soziale Balance in Deutschland verschlechtert hätten.

Der Bundesrat forderte deshalb die Bundesregierung auf, umgehend die längst notwendigen Reformen anzupacken. Beispielhaft erwähnt der Bundesrat die Entlastung von Bürgern und Unternehmen von Steuern und Sozialabgaben, die Befreiung der Wirtschaft von unnötiger Bürokratie die nachhaltige Lösung der Probleme der Altersvorsorge, die Schaffung größerer finanzieller Anreize zur Arbeitsaufnahme im Niedriglohnbereich zu schaffen, die Zurücknahme beschäftigungshemmender Gesetze der Bundesregierung (zum Beispiel 630 Mark-Gesetz, Scheinselbständigengesetz) und die Aufhebung der nächsten Stufe der Ökosteuer zum 1. Januar 2003.

Der Bericht der Bundesregierung verschweige die nachteiligen Folgen der gegenwärtigen Gesundheitspolitik und beschönige die derzeitige Lage des Gesundheitswesens. Auch die drängenden Probleme bei der pflegerischen Versorgung von älteren Menschen sei nicht ausreichend angegangen worden. Die für Familien erreichten Verbesserungen würden im Sozialbericht 2001 einseitig gepriesen, jedoch unterschlagen, dass auch Verschlechterungen und Einsparungen auf Kosten der Familien zu verzeichnen seien. Exemplarisch verweist der Bundesrat hier auf mehrere Änderungen im Einkommensteuergesetz. Die familienpolitischen Maßnahmen der Bundesregierung seien ebenso wie die einseitige Fokussierung der künftigen Familienpolitik auf die Schaffung von Kinderbetreuungsangeboten unzureichend.

Die Bundesregierung wird aufgefordert, die nach dem Garantiefonds gewährte Sprachförderung und sozialpädagogische Betreuung der jugendlichen Spätaussiedler durch die Neuregelung der Integrationsförderung nicht zu verringern.

Sozialbericht 2001

Drucksache 247/02 (Beschluss)

5.404 Zeichen

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