Der Bundesrat hat zu den so genannten Hartz-Gesetzen den Vermittlungsausschuss mit dem Ziel der grundlegenden Überarbeitung angerufen. Über die Frage der Anrufung des Vermittlungsausschuss wurde auf Antrag durch Aufruf der Länder abgestimmt.
Beim Ersten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt sprachen sich Baden-Württemberg (6 Stimmen), Bayern (6), Hamburg (3), Hessen (5), das Saarland (3), Sachsen (4), Sachsen-Anhalt (4) und Thüringen (4) (zusammen 35 von 69 Stimmen) für die Anrufung aus; dagegen stimmten Niedersachsen (6) und Nordrhein-Westfalen (6). Die übrigen Länder enthielten sich der Stimme.
Nach Auffassung des Bundesrates ist das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - auch in Zusammenschau mit dem Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - nicht geeignet, die notwendigen Voraussetzungen für mehr Beschäftigung in Deutschland zu schaffen. Die wenigen positiven Ansätze beschränkten sich auf einen verbesserten Ausgleich von Angebot und Nachfrage auf dem Arbeitsmarkt. In wesentlichen Punkten verschlechterten die Gesetze hingegen die Rahmenbedingungen am Arbeitsmarkt erheblich. Sie leisteten keinen positiven Beitrag zu den notwendigen strukturellen Reformen des Arbeitsmarktes in Deutschland.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt in einer Reihe von Bereichen grundlegend zu überarbeiten ist:
Der Ansatz, über eine vermittlungsorientierte Arbeitnehmerüberlassung (PSA) Arbeitslosen neue Beschäftigungs- und Integrationschancen zu eröffnen, wird in seiner Zielrichtung positiv bewertet. Die konkrete Ausgestaltung der PSA sei allerdings in zentralen Punkten verfehlt und wirke sogar kontraproduktiv. Sie führe de facto zu einer Verstaatlichung der Arbeitslosigkeit: Die Arbeitsverwaltung trete zwar formal nicht als Arbeitgeber auf, übe jedoch unmittelbaren Einfluss auf die PSA und deren Arbeitnehmer aus und werde dadurch faktisch zum Arbeitgeber. Die Grenze zwischen staatlicher Arbeitsmarktpolitik und privatwirtschaftlicher Zeitarbeit werde aufgehoben. Anstatt die PSA für alle Erwerbslosen zu öffnen, hält der Bundesrat es aus Gründen der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit für dringend geboten, die PSA auf die Gruppe der schwer vermittelbaren Arbeitslosen zu beschränken. Der Bundesrat hält es außerdem für bedenklich, dass PSA-Arbeitnehmer in der Arbeitslosenstatistik gesondert ausgewiesen und nicht mehr zur Gruppe der Arbeitslosen gezählt werden sollen.
Grundsätzlich betrachtet der Bundesrat die Deregulierung der Zeitarbeit als positiven Beitrag zu einer Erhöhung der Beschäftigung. Allerdings hält er die grundsätzlich gleiche Entlohnung von Stamm- und Leiharbeitnehmern für verfehlt. Sie stelle statt der erforderlichen Deregulierung eine gravierende Verschlechterung der Rahmenbedingungen für Zeitarbeit dar und werde Beschäftigungschancen bei Zeitarbeitsunternehmen in großem Umfang vernichten. Gerade die Vermittlungschancen von schwer vermittelbaren Arbeitslosen würden dadurch erheblich eingeschränkt. Die im Gesetz enthaltene Tariföffnungsklausel ermögliche zwar ein Abweichen vom Grundsatz gleicher Entlohnung. Es sei jedoch kaum damit zu rechnen, dass eine solche Abweichung konsensfähig ist. Im Ergebnis dürfte die Leiharbeit nach Ansicht des Bundesrates ihre Bedeutung als flexibles Instrument am Arbeitsmarkt weitgehend einbüßen.
Der Bundesrat hält Verbesserungen bei der Förderung der beruflichen Weiterbildung für notwendig. Für wenig zielführend erachtet er allerdings die unkontrollierte Ausgabe von Bildungsgutscheinen. Besonders kritisch sieht der Bundesrat, dass die Zertifizierung von Weiterbildungsmaßnahmen den Aufbau zusätzlicher Bürokratie erforderlich mache.
Im Einzelnen lehnt der Bundesrat einen Anspruch auf Freistellung mit Entgeltfortzahlung bezüglich Meldung beim Arbeitsamt, Einstellungs- und Eingangsuntersuchung, Beratungs- und Informationsgesprächen sowie Vorstellungsgesprächen für Arbeitnehmer, denen gekündigt wurde oder die selbst gekündigt haben, ab, da hiermit vor allem kleine und mittlere Unternehmen unbillig belastet würden. Eine gesetzliche Gleichstellung von Leiharbeitnehmern und Stammbelegschaften bei den Arbeitsbedingungen verteuere die Zeitarbeit und mindere die Beschäftigungschancen von Zeitarbeitnehmern erheblich. Eine entsprechende gesetzliche Festlegung müsse daher ersatzlos entfallen. Die Personalserviceagenturen - soweit sie überhaupt weiter verfolgt werden sollen - seien so auszugestalten, dass sich daraus kein unbezahlbarer dritter Arbeitsmarkt entwickelt; eine Konkurrenz der privatrechtlich betriebenen Zeitarbeitsunternehmen durch die Personalserviceagenturen mit öffentlichen Mitteln sei zu vermeiden.
Der Bundesrat hält das Erste Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt - anders als der Bundestag - für zustimmungsbedürftig. Er ist der Auffassung, dass der Bund mit der Festlegung von besonderen Leistungsstufen und -zulagen für Bundesbeamte, die über die derzeit für Bund und Länder einheitlich geltenden Regelungen des Bundesbesoldungsrechts hinausgehen, "andere Maßstäbe" für die Bemessung der Besoldung im Sinne des Artikels 74a Abs. 3 des Grundgesetzes festlege. Mit der grundsätzlichen Umgestaltung und Ausweitung des Aufgabenprofils der Bundesanstalt für Arbeit und der Schaffung völlig neuer Aufgabenfelder für die Arbeitsämter sei außerdem Artikel 87 Abs. 3 des Grundgesetzes betroffen.
Beim Zweiten Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt stimmten Baden-Württemberg (6), Bayern (6), Hamburg (3), Hessen (5), Rheinland-Pfalz (4), das Saarland (3), Sachsen (4), Sachsen-Anhalt (4) und Thüringen (4) (zusammen 39 von 69 Stimmen) für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Niedersachsen (6) und Nordrhein-Westfalen (6) stimmten dagegen. Die übrigen Länder enthielten sich der Stimme.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die gesetzliche Ausgestaltung der Hartz-Vorschläge die Rahmenbedingungen für Beschäftigung in wesentlichen Punkten verschlechtere. Dabei wurden einige Bereiche besonders hervorgehoben, die überarbeitet werden müssten.
Äußerst kritisch sieht der Bundesrat dabei die Ausgestaltung der Ich-AG's. Die Regelung werde zu einem Verdrängungswettbewerb im kleinen Handwerk führen und so Existenzen vernichten. Arbeitsplätze im Mittelstand gingen verloren. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass in erster Linie echte Selbständigkeit gefördert werden müsse und kein künstlicher Arbeitsmarkt konstruiert werden dürfe, der ohne massive Subventionierungen nicht existieren könnte. Der richtige Weg wäre nach Meinung des Bundesrates, die Regelungen, wie sie durch das Gesetz zur Förderung der Selbständigkeit vom 20.12.1999 eingeführt wurden, zurückzunehmen und durch solche zu ersetzen, die zu einer angemessenen Abgrenzung zwischen der Sphäre der sozialrechtlichen Absicherung auf der eine Seite und der unternehmerischen Entfaltung, aber auch des unternehmerischen Risikos, auf der anderen Seite führen.
Auch der Bereich der Mini-Jobs begegnet nach Ansicht des Bundesrates erheblichen Bedenken. Das vorgesehene Modell schöpfe nur einen kleinen Teil des Beschäftigungspotentials im Bereich der geringfügigen Beschäftigung aus. Die Beschränkung auf hauswirtschaftliche Dienstleistungen greife zu kurz. Anzustreben sei eine Ausweitung der Regelung auf den gesamten Niedriglohnbereich. Im Bereich über 500 EURO setze die Abgabenlast sofort voll ein. Die Ausgestaltung sei hier zu bürokratisch.
Nach Auffassung des Bundesrates bleiben die Regelungen zum "Job Center" weiter hinter den Vorstellungen der Hartz-Kommission als "Neues Arbeitsamt" zurück. Die Job Center seien in dieser Ausgestaltung bloße gemeinsame Anlaufstellen von Arbeitsämtern und Sozialämtern.
Auch die Einführung des Brückengeldes für ältere Arbeitnehmer über 55 Jahre sieht der Bundesrat sehr kritisch, da dadurch die Frühverrentung gefördert werde. Dies führe zu einer deutlichen Mehrbelastung der Sozialversicherungssysteme. Vor diesem Hintergrund werde auch die Frage der Finanzierbarkeit des Brückengeldes im Gesetz nicht hinreichend dargelegt. Vielmehr wären angesichts der demografischen Entwicklung gezielte Wiedereingliederungsmaßnahmen erforderlich, um die Erwerbstätigenquote der über 50-jährigen zu steigern. Wie die Einführung der PSA diene auch die Einführung des Brückengeldes hauptsächlich einer Schönung der Arbeitslosenstatistik, da die Empfänger von Brückengeld nicht mehr zur Gruppe der Arbeitslosen gezählt würden.
Schließlich hält der Bundesrat auch die Möglichkeiten zur Ermäßigung der tariflichen Einkommensteuer für haushaltsnahe Beschäftigungsverhältnisse für unzureichend.
Erstes Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Drucksache 831/02 (Beschluss)
Zweites Gesetz für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt
Drucksache 832/02 (Beschluss)
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