31.08.2018

Bundesratspräsident zu den Vorfällen in Chemnitz Gegen Rechts aufstehen. Unsere Werte und unser Zusammenleben verteidigen.

Foto: Michael Müller

© Bundesrat | Sascha Radke

Vor dem Hintergrund der Ereignisse der letzten Tage in Chemnitz äußert sich Bundesratspräsident Michael Müller.

"Jetzt ist es an der Zeit, es laut zu sagen: Wir lassen uns unsere Demokratie und unseren Rechtsstaat nicht kaputt machen. Wir lassen nicht zu, dass eine kleine Minderheit das zerstört, was wir uns gemeinsam in Jahrzehnten aufgebaut haben. Eine liberale, weltoffene und auch deshalb erfolgreiche Gesellschaft. Diese Liberalität und das internationale Vertrauen in Deutschland sind auch Grundlage für unsere starke Wirtschaft und damit unseren Wohlstand. Der - man kann es nicht anders nennen - wütende Mob von Chemnitz, aber auch viele antidemokratische und rassistische Vorfälle der letzten Zeit in allen Teilen unseres Landes bedrohen dieses friedliche Zusammenleben.

Schon lange geht es nicht mehr darum, nur der Anfänge zu wehren. Täglich wird die Gesellschaft mit den kruden und bedrohlichen Gedanken einer neuen Rechten konfrontiert. Leider auch aus unseren Parlamenten. Der antidemokratische Geist ist als Gift für unser Land überall, nicht nur in Sachsen gegenwärtig.

Chemnitz zeigt: Es muss Schluss sein mit Wegschauen, dem vornehmen Zurückhalten. Es gibt keine Grautöne mehr. Es geht um schwarz und weiß. Rechtsstaat oder Gesetz des Stärkeren. Demokratie und Vielfalt oder Deutschtümelei. Wohlstand oder Abschottung. Deswegen muss jede Straftat, gerade wenn es um verfassungsfeindliche und nazistische Symbole geht, geahndet werden. Die Polizei darf nicht wegschauen. Die Justiz muss sofort reagieren. Nur durch konsequentes Durchsetzen der Gesetze werden wir ähnliche Zusammenrottungen und fremdenfeindliche Taten verhindern.

Als Bundesratspräsident und Regierender Bürgermeister ist mir die Vielfalt der Länder und ihre Unabhängigkeit wichtig. Genauso wichtig ist unser verfassungsmäßiger Auftrag, für gleichwertige Lebensverhältnisse in Deutschland zu sorgen. Hier geht es auch, aber nicht nur um wirtschaftliche Verhältnisse. Es geht darum, überall in Deutschland die Freiheit und Sicherheit aller Mitbürgerinnen und -bürger durch unseren Rechtsstaat zu gewährleisten. Wenn einzelne Kommunen oder Länder das nicht können, muss der Bund kurzfristig und unbürokratisch mit der Bundespolizei und mittelfristig mit mehr Mitteln für Polizei, aber auch sozialer Arbeit in den Nachbarschaften helfen. Deswegen ist es gut, dass die Bundesregierung zügig Unterstützung zugesagt hat.

Wer die Bilder aus Chemnitz sieht, fühlt sich erinnert an das Rostock Anfang der Neunziger Jahre. Eine grölende Menge, die ihrem Rassismus ungehemmt Ausdruck verleiht. Ein Staat, der rechtsfreie Räume nicht sofort zurückerobert. Eine in großen Teilen hilflose Politik, die nicht einzuschätzen weiß, was sich Bahn bricht. Wir sollten aus diesen Zeiten gelernt haben, dass der Staat keine Minute zusehen darf, wenn Menschenrechte und Menschenleben bedroht sind. Hier sind die wehrhafte Demokratie, der starke Staat gefordert.

Und durch die Geschehnisse in Chemnitz darf es auch keinen Zweifel mehr in der Politik geben: es muss Schluss mit allen Versuchen sein, sich - im besten Falle in abgeschwächter Kopie - mit populistischen Argumenten oder Leisetreterei einen Vorteil verschaffen zu wollen. Niemand darf mit unserer Demokratie und Weltoffenheit, mit unserer freiheitlichen Gesellschaft spielen.

Aber wir brauchen auch die Zivilgesellschaft. Denn wenn die Bürgerinnen und Bürger sich wie jetzt einmal mehr in Chemnitz unter eine ganz offensichtlich von Nazis getragenen Demonstration mischen und das für normal halten, dann darf die Mehrheit nicht länger schweigen. Jeder von uns muss am Arbeitsplatz, in unseren Schulen, in den Familien immer dann klar für die Werte unseres Zusammenlebens eintreten, wenn sich Menschen ausgrenzend, rassistisch und demokratiefeindlich äußern.

Ja, Deutschland ist ein starkes und reiches Land, das Menschen in Not helfen muss. Aber wir müssen unsere Flüchtlings- und Integrationspolitik offensiv vertreten und die Menschen mitnehmen. Gerade bei den beginnenden Diskussionen über ein Zuwanderungsgesetz wird das nötig sein.

Nein, jeder Vergleich mit der Vergangenheit ist unangemessen. Unsere Demokratie ist stark und wehrhaft, sie hat sich in über 70 Jahren bewährt. Auch, weil wir eine gute Verfassung haben, die es an jeder Stelle zu schützen gilt. Aber es ist jetzt der Moment zu verstehen, dass jeder von uns dafür verantwortlich ist, sich klar und hörbar vor unsere Demokratie und alle unsere Nachbarn zu stellen. Es ist unser Deutschland, ein europäisches Deutschland."

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