Tag der offenen Tür, 5. September 2015 "Das föderative System ist einer der Gründe dafür, dass Deutschland in der Welt so gut dasteht."

© Bundesrat | Henning Schacht

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Einen schönen guten Morgen, meine sehr verehrten Damen und Herren!

Das ist ein wunderbares Bild. Schön, dass Sie gekommen sind! Ich begrüße Sie herzlich zum Tag der offenen Tür des Bundesrates. Es ist für uns eine Freude, dass so viele Bürgerinnen und Bürger zu uns gekommen sind.

Hier in diesem Plenarsaal, dort, wo Sie gerade sitzen, sitzen sonst die Ministerpräsidenten und die Minister der Länder; das ist schon erklärt worden. Dort, wo gerade der Herr in Blau sitzt, sitzt meist Herr Kretschmann; dort, wo die Dame in Rot sitzt, Herr Seehofer. So geht das entsprechend weiter.

Wir in diesem Hause, die Mitglieder des Bundesrates, sind die Vertreter der deutschen Bundesländer. Diese Konstruktion - selbstständige Staaten, die in einem Gesamtstaat verbunden sind - gibt es nirgendwo sonst in Europa.

Wie es im Grundgesetz so schön heißt, wirkt der Bundesrat an der Gesetzgebung des Bundes mit. Es gibt kein einziges vom Bund kommendes Gesetz, das nicht hier beraten wird. Wir bringen sozusagen die Interessen der Länder ein. Die Bundesrepublik Deutschland ist ein Zusammenschluss der Länder. Das hat eine lange historische Tradition. Diese Tradition bildet sich auch in einem solchen Haus ab. Sie werden sehen: Dieses Haus hat eine reiche Geschichte. Es lohnt sich, sich damit zu befassen. Diese Geschichte ist auch ein Spiegelbild der deutschen Geschichte.

Wir haben für Sie viel vorbereitet: viel Information, viel Unterhaltung. Ich lade Sie herzlich ein, davon regen Gebrauch zu machen. Gehen Sie auf Entdeckungstour! Ich bin mir sicher: Es gibt eine ganze Menge, was Sie vielleicht noch gar nicht oder so noch nicht kannten. Ich wünsche uns, vor allen Dingen Ihnen, einen angenehmen Tag.

Ich möchte mich bei unseren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die es ermöglichen, dass wir an unserem Tag der offenen Tür ein so großes Fest miteinander feiern können, herzlich bedanken. Wir wollen natürlich, da Hessen in diesem Jahr das Gastgeberland ist, auch etwas aus Hessen zeigen, sowohl hier im Hause als auch draußen im Freigelände. Schauen Sie es sich an! Wir haben Repräsentanten unseres Landes mitgebracht. Ich sehe dort hinten Frau Holle und Rotkäppchen - beide aus dem Märchenland. Wir haben das Hessentagspaar dabei und vieles andere mehr. Lassen Sie sich überraschen!

Der Wettbewerb der Länder setzt Kräfte um die beste Lösung frei

Meine Damen! Meine Herren! In einem föderativen Staat ist es nicht immer ganz einfach, alle Interessen unter einen Hut zu bringen. In diesem Haus herrscht eine besondere Atmosphäre. Hier wird nicht geklatscht; hier wird nicht dazwischengerufen. Das führt manchmal zu einer etwas merkwürdigen Situation. Aber das hat einen großen Vorteil: Es geht doch recht sachlich zu. Das ist bei der Beratung über viele schwierige Fragen vielleicht nicht die schlechteste Lösung.

Im Bundesrat sind die Länder nach ihrer Größe vertreten. Hier bemüht man sich, einen Ausgleich zu schaffen, damit wir in Deutschland möglichst gleichwertige Lebensverhältnisse haben.

In unserer Tradition in Deutschland ist der Föderalismus grundgelegt. Zum einen ist Föderalismus ein gutes Mittel, um Machtmissbrauch zu verhindern. Wenn alles an einer Stelle gebündelt ist, sind die Entscheidungen nicht immer klug. Der Wettbewerb der Länder setzt auch Kräfte um die beste Lösung frei. Beides gibt uns die Möglichkeit, sehr unterschiedliche Traditionen und Gegebenheiten in unserem Land so auszugleichen, dass es in Deutschland eben nicht nur einen Zentrale, sondern auch viele starke Regionen geben kann. Dort, wo wir schwächere Regionen haben, müssen die starken aushelfen.

Das unterscheidet uns von Zentralstaaten wie Frankreich oder Großbritannien. Nach meiner festen Überzeugung ist unser föderatives System einer der Gründe dafür, dass Deutschland in der Welt so gut dasteht. Wir begrüßen hier sehr viele Besucherinnen und Besucher aus anderen Ländern, die sich fragen, warum Deutschland eigentlich so gut dasteht. Nicht wenige kommen hierher, um unser Verfassungssystem zu studieren und um zu schauen, ob das vielleicht auch für ihre Länder eine Chance sein könnte, beieinander zu bleiben und dennoch regionale Vielfalt zu ermöglichen sowie unterschiedliche Interessen auszugleichen. Darum bemühen wir uns hier. Nach so vielen Jahren können wir sagen: Alles in allem ist das ein Erfolgsmodell.

Bewältigung der Flüchtlingsproblematik ist eine große Herausforderung

Meine Damen und Herren! Das leitet über zu einem Thema, das uns alle ganz außerordentlich fordert, bewegt, bedrückt, jedenfalls nicht kaltlässt. Sie haben es vielleicht gehört: Seit heute Morgen sind aus Ungarn wieder zwischen 7 000 und 10 000 Menschen unterwegs, die alle nach Deutschland wollen.

Wir haben heute Morgen miteinander beraten, wie wir das hinbekommen. Das ist eine große Herausforderung. Jeder, der kommt, muss anständig behandelt werden. Aber nicht jeder, der kommt, kann bleiben.

Wir müssen uns bei der Bewältigung dieser großen Herausforderung extrem anstrengen. Natürlich können das die Länder und die Gemeinden nicht allein schultern. Wir brauchen deshalb eine deutliche, massive, dauerhafte Unterstützung durch den Bund. Wir werden Ende dieses Monats gemeinsam mit der Bundesregierung eine Konferenz veranstalten, auf der wir das vereinbaren wollen. Wir brauchen ein ganzes Bündel von Maßnahmen, damit wir mit dieser Herausforderung so fertig werden, wie wir uns das im Interesse aller wünschen.

Im Zuge einer kurzen Begrüßung bitte ich Sie, es mir zu ersparen, das alles darzulegen. Aber ich glaube, wir sind auf das Äußerste gefordert, und wenn wir es klug machen, sind wir nicht überfordert. Wir müssen jedoch einiges ändern.

Europäische Staaten müssen ihre Verpflichtungen wahrnehmen

Das gilt für unser Land; das gilt aber auch für Europa. Es kann nicht so weitergehen, dass andere europäische Staaten sich darauf beschränken, alle Flüchtlinge einfach weiterzuleiten nach dem Motto "Nach Deutschland!" Auch diese Staaten müssen ihre Verpflichtungen wahrnehmen - nach den Regeln, die wir in Europa gemeinsam vereinbart haben. Es ist an der Zeit, dass wir gerade in den Ländern, in denen viele Flüchtlinge ankommen, gemeinsame europäische Einrichtungen schaffen, damit die Flüchtlinge dort aufgenommen werden können. Das ist dann eine gemeinsame Aufgabe Europas, eine Aufgabe, die wir gemeinsam schultern können. Es kann nicht so weitergehen, dass es der einzige Beitrag all dieser Länder ist, die Menschen bestenfalls in den Bus zu setzen, damit sie dann hier ankommen.

Wir brauchen viel mehr. Ich will auf einen Punkt eingehen: Die Europäische Gemeinschaft muss sich in einer massiven Anstrengung dazu durchringen, in den Ländern, in denen es Millionen Flüchtlinge gibt, zum Beispiel in Jordanien und im Libanon, massiv zu helfen. Wir können und wollen diese Menschen nicht ihrer Not überlassen. Niemand verlässt gern die Heimat. Wenn wir es schaffen, die Menschen dort in menschenwürdigen Verhältnissen zu betreuen, dann sind sie nahe an ihrer Heimat und haben nicht nur die Alternative, möglichst schnell nach Europa - im Regelfall: nach Deutschland - zu kommen.

Diese Auseinandersetzung - diese Herausforderung - wird uns nach meiner festen Überzeugung noch Jahre begleiten. Und sie wird uns fordern. Nicht zuletzt hier im Bundesrat werden wir in einer Fülle von Beratungen versuchen, allen Aspekten gerecht zu werden: sensibel zu bleiben für die Anliegen der Flüchtlinge, über die Herausforderungen nicht zu schweigen, sondern sie zu benennen, unsere heimische Bevölkerung nicht zu überfordern und gemeinsam einen Weg zu beschreiten, der friedlich und erfolgreich für alle Seiten ist. Das ist aus meiner Sicht die zentrale Aufgabe, der wir uns in nächster Zeit zu widmen haben.

25 Jahre gelungene Deutsche Einheit

Meine Damen und Herren! Wenn wir Ihnen heute hier ein breites und buntes Programm bieten, dann sind wir auch sehr aktuell. Sie finden viele Hinweise und Erläuterungen zur Arbeit dieses Hauses. Wir widmen uns vielen Fragen, auch und gerade der, die ich soeben angesprochen habe.

Meine Damen und Herren! Nicht weit von hier, nur ein paar Hundert Meter entfernt, war vor 25 Jahren die Welt zu Ende. Damals stand dort die Mauer. Sie war Ausdruck der Teilung in Ost und West. Für die Menschen im Westen war es leichter, nach Hawaii zu kommen als auf die andere Seite der Mauer. Für die Menschen, die in der ehemaligen DDR lebten, war es in der Regel unmöglich, einmal auf die andere Seite zu kommen. Diejenigen, die aus Berlin sind, kennen das. Die anderen kennen es von Besuchen oder aus Erzählungen. Viele jüngere Menschen kennen es nur noch aus Erzählungen.

Wir haben in diesem Jahr die Freude, 25 Jahre Deutsche Einheit feiern zu können. Hessen ist das Ausrichterland. Ich lade Sie schon heute ein, am 3. Oktober - wenn Sie mögen, schon am 2. - nach Hessen zu kommen. Wir wollen in Frankfurt am Main anlässlich von 25 Jahren gelungener Einheit ein großes Bürgerfest feiern.

Meine Damen und Herren! Eines darf nicht vergessen werden - und ist immer noch Grund zu uneingeschränkter Freude -: Damals ist ohne einen einzigen Schuss die Welt verändert worden - durch mutige Menschen, durch eine günstige Konstellation der Weltpolitik, aber vor allen Dingen durch die Menschen, die sich nicht haben einschüchtern lassen, die "Wir sind das Volk!" und "Wir sind ein Volk!" gerufen haben.

Deshalb sind wir hier in einer Kontinuität. Wir freuen uns, dass in diesem Haus dieser Geist lebendig gehalten wird. Ich wünsche mir, dass er in ganz Deutschland lebendig gehalten wird.

Grenzen überwinden

Ich habe meine Präsidentschaft mit dem Satz "Grenzen überwinden!" überschrieben. Das ist ganz wörtlich gemeint. Das meint aber auch, Grenzen in den Köpfen zu überwinden, offen zu sein, sensibel zu bleiben, sich selbst nicht zu verlieren, mit Mut und Tatkraft den Herausforderungen des Heute und des Morgen zu begegnen. So verstehe ich unsere gemeinsame Aufgabe - für Sie alle und insbesondere für diejenigen, die hier auf Zeit berufen sind, politische Verantwortung zu tragen.

Deshalb ist dieser 3. Oktober immer ein Tag der Freude. Aber wir sollten nicht nur am Nationalfeiertag, sondern auch sonst daran erinnern, dass seinerzeit eine große Herausforderung bewältigt wurde, wofür es keine Beschreibung gab. In keinem Buch konnte man nachlesen, wie man es machen müsse. Es musste angepackt werden. Es musste gemacht werden.

Aus diesem Erfolg und aus den Erfahrungen, die wir in 25 Jahren gesammelt haben, leite ich die Zuversicht ab, dass wir auch die Herausforderungen von heute, für deren Bewältigung es ebenfalls keine Beschreibung gibt, erfolgreich meistern können.

In diesem Sinne seien Sie nochmals herzlich willkommen geheißen! Ihnen einen fröhlichen, spannenden, unterhaltsamen Tag!

Ich habe die große Freude, Ihnen nun eine musikalische Gruppe ankündigen zu dürfen, die nicht nur hervorragend Musik macht, sondern uns auch eine Botschaft vermittelt - eine Botschaft der Hoffnung und der Freude -: "Classic for Peace", klassische Musik für den Frieden. Diejenigen, die es darbringen, sind junge Menschen, die aus Hessen kommen; das ist auch prima, aber in diesem Fall nicht so entscheidend. Aber sie kommen auch aus Russland und der Ukraine, aus zwei Ländern, die im Krieg miteinander stehen. Wenn junge Menschen sich zusammenfinden, Grenzen überwinden und gemeinsam für den Frieden musizieren, ist dies eine der besten Botschaften, die man vermitteln kann. Ich danke diesen jungen Künstlerinnen und Künstlern und freue mich mit Ihnen auf die Darbietung.

Seien Sie herzlich willkommen geheißen! Einen wunderschönen Tag!

Herzlichen Dank!

Stand 05.09.2015

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