Daniel Günther vor dem National Council, Windhoek, 16. Juli 2019 Unsere beiden Länder trennt und eint die Geschichte zugleich

© Staatskanzlei Schleswig-Holstein

- Es gilt das gesprochene Wort -

Frau Präsidentin,
Damen und Herren Mitglieder des Nationalrates,
meine sehr geehrten Damen und Herren,

herzlichen Dank für die Einladung in den National Council in Windhoek. Ich bin mir der Ehre sehr bewusst, heute zu Ihnen sprechen zu dürfen.

Als Deutscher in Namibia.

Unsere beiden Länder trennt und eint die Geschichte zugleich, wie Sie alle nur zu gut wissen.

Die Schrecken, die Deutsche Anfang des 20. Jahrhunderts an den Menschen dieses Landes, insbesondere an den Herero und Nama verübt haben, bleiben unvergessen.

Die Folgen der damaligen Verbrechen wirken bis heute nach. Diese historische Schuld erkennen wir ohne Wenn und Aber an.

Ich beuge mein Haupt vor Ihnen in Demut und Respekt.

Unsere Regierungen stehen zur Aufarbeitung der kolonialen Vergangenheit im konstruktiven Gespräch.

Aus Deutschland weiß ich, dass unsere Bundesregierung um ein gemeinsames Vorangehen in diesen Fragen sehr bemüht ist.

Deutschland steht fest zu seiner Verantwortung vor der Geschichte.

Auch wenn der Begriff erst später mit rechtlichen Normen unterlegt wurde - die damaligen im deutschen Namen begangenen Gräueltaten waren das, was heute als Völkermord bezeichnet würde.

Sehr geehrte Damen und Herren,

ein Zufall der Geschichte will es jedoch auch, dass unsere beiden modernen Gesellschaften und Nationen vor dreißig Jahren ähnliche politische Erfahrungen gemacht haben.

Namibia rang im Jahr 1989 um seine Unabhängigkeit und errang schließlich die ersten freien Wahlen. Was für ein Meilenstein!

Deutschland war nach dem Zweiten Weltkrieg in zwei Länder geteilt.

In die Bundesrepublik Deutschland; mit enger Anbindung an den demokratischen Westen. Und in die DDR. Die so genannte Deutsche Demokratische Republik; Teil des kommunistischen Sowjet-dominierten Ostblocks.

Ebenfalls im Jahr 1989 gingen die Bürgerinnen und Bürger dieser DDR gegen die repressiven Machthaber auf die Straße, mit ihrem berühmten Spruch "Wir sind das Volk".

Und die Bewegung schaffte das Undenkbare: den Unrechtsstaat DDR zu stürzen und die Mauer einzureißen, die Deutschland in zwei Länder teilte.

Die Bürger der DDR erzwangen - ebenso wie die Menschen hier in Namibia - die ersten freien Wahlen ihrer Volkskammer. Beides 1989. Vor dreißig Jahren.

Da kann man mal sehen, was Mut bewirken kann.

Ich freue mich, dass ich als Bundesratspräsident und Ministerpräsident des Landes Schleswig-Holstein in diesem Jahr die zentralen Feierlichkeiten zum Tag der deutschen Einheit am 3. Oktober in der Stadt Kiel ausrichten kann.

30 Jahre nach Beginn der Friedlichen Revolution in Ostdeutschland. Wir haben die Feierlichkeiten unter das Motto "Mut verbindet" gestellt.

Ich denke, Mut haben die Menschen in der DDR und in Namibia bei ihrem Befreiungskampf deutlich bewiesen.

Doch nicht nur die geschichtlichen Ereignisse vor dreißig Jahren verbinden uns. An welchem Ort könnte ich Gemeinsamkeiten besser ansprechen als hier im Nationalrat? Gemeinsamkeiten finden wir auch in unseren Erfahrungen mit einer dezentralen, regionalen Politik, mit einem Föderalismus.

Der Föderalismus hat in Deutschland eine lange Tradition. An diese Tradition wollte man nach dem Zivilisationsbruch des Holocausts und der Katastrophe des Zweiten Weltkrieges unbedingt anknüpfen. Zu erschütternd waren die Erfahrungen im gleichgeschalteten Zentralstaat der Nationalsozialisten gewesen.

Verantwortung und Macht sollte im neuen Bundesstaat Deutschlands geteilt werden. Neben der klassischen Form der horizontalen Gewaltenteilung nun auch vertikal, sprich zwischen Bund, Ländern und Kommunen. Der Föderalismus war das Gebot der Stunde.

Das Ergebnis ist heute - nach der Wiedervereinigung Deutschlands 1990 - ein Deutschland der 16 Bundesländer.

Der Föderalismus ist "eine der großen Stärken unseres Landes". Denn er steht "… für Stabilität und Identität, und dies gerade auch in Zeiten schnellen Wandels".

Das sind übrigens nicht meine Worte, sondern die unserer Kanzlerin Angela Merkel, die es als Regierungschefin auf Bundesebene wahrlich nicht immer leicht mit den Ländern hat.

Ich gebe Frau Merkel Recht. Vielleicht liegt gerade in der Vielfalt die eigentliche Chance zur Stabilität.

Und vielleicht zwingt uns gerade der Föderalismus neben aller Konkurrenz zu echter Kooperation in der Politik.

Jedes Gesetz des Deutschen Bundestages, also der ersten Kammer des nationalen Parlaments, muss durch den Bundesrat laufen. Nicht wenige dieser Bundesgesetze brauchen zwingend die Bestätigung durch den Bundesrat.

Im Bundesrat sitzen bei uns die Vertreter der Länderregierungen. Also diejenigen, die Erfahrungen mit der Durchführung von Gesetzen vor Ort haben.

So garantiert der Bundesrat, dass die Länder auch bei bundesweiten Gesetzen gehört und ihre Vorstellungen berücksichtigt werden.

Darüber hinaus steht in unserer Verfassung, dass wir für gleichwertige Lebensverhältnisse in allen Regionen Deutschlands sorgen müssen. Das schaffen wir mit einem System des so genannten Länderfinanzausgleichs.

Der Länderfinanzausgleich bewirkt, dass sich die Menschen in jedem Teil des Landes wohl fühlen, eine Arbeit finden und ihre Familie versorgen können. Dass alle Bürgerinnen und Bürger gleichwertige Lebensverhältnisse vorfinden.

Er garantiert, dass Menschen in unserem Land nicht nur eine regionale Identität aufbauen, sondern auch in ebendieser bevorzugten Region gut leben können.

Wir wollen in Deutschland ganz bewusst die regionalen Stärken und Besonderheiten der Länder hervorheben und weiter ausbauen. Die 16 Bundesländer - das ist gelebte Vielfalt.

Ich bin - nicht nur hier im National Council - sehr interessiert zu erfahren, wie Sie in Namibia die Regionen vereinen. Wie Sie hier in diesem weiten und artenreichen Land die große Vielfalt Ihrer 14 Regionen zusammen denken. Wie Sie die Menschen in den Regionen vor Ort, auch in ihren Sorgen, erreichen.

Wie Sie beispielsweise Projekte zum besseren Klimaschutz an der Atlantikküste oder in der Wüste Namib umsetzen. Wie die Lösungen für passgenaue Arbeitsangebote in den einzelnen Orten aussehen, trotz der Herausforderungen einer vielleicht weit entfernten Region.

Ich freue mich, nach den Gesprächen in der Hauptstadt heute noch nach Swakopmund und Walvis Bay zu fahren, und mich dort zum Beispiel mit dem Gouverneur der Erongo Region und der Bürgermeisterin von Swakopmund über die Verwaltung in den namibischen Regionen auszutauschen.

Und ich finde es wichtig, als Präsident des Bundesrates, also des Mitwirkungsorgans der deutschen Länder, auch in einer Region Namibias einen Ort zu besuchen, der an die deutsche Kolonialvergangenheit in diesem Land erinnert. So werde ich den Memorial Park Cemetery in Swakopmund besuchen und zum Gedenken Blumen niederlegen.

Sehr geehrte Damen und Herren,

in den neunziger Jahren gab es schon einmal offizielle Besuche des National Councils beim Bundesrat in Berlin. 1997 ist auch ein Bundesratspräsident nach Namibia gereist. Danach sind die Kontakte - zumindest auf der Ebene der Zweiten Kammern - selten geworden.

Ich freue mich, wenn wir mit unserem Besuch die Verbindungen zwischen unseren Häusern wieder aufnehmen konnten.

Wenn bei dem einen oder anderen Gespräch das Verbindende zwischen unseren Ländern klar wird und das Trennende in unserer Geschichte an Trennschärfe verliert.

Mut verbindet - der Austausch mit Freunden allerdings auch!

Stand 16.07.2019

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