22. November 2024 Antrittsrede von Bundesratspräsidentin Anke Rehlinger

- Es gilt das gesprochene Wort -

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Saarland hat die Ehre, zum sechsten Mal in der Geschichte der Bundesrepublik die Präsidentschaft des Bundesrates zu übernehmen. Mich erfüllt dies mit Freude und Stolz. 

Ich möchte die Interessen der Länder kraftvoll vertreten und die Gemeinschaft der Länder nach innen stärken. Ich bin überzeugt, dass ich dabei auf die Zusammenarbeit mit Ihnen allen bauen kann. Dafür danke ich Ihnen allen gerade angesichts der aktuellen Umstände schon jetzt sehr herzlich.

Es braucht den Bundesrat - auch und gerade in der aktuellen Situation. Der Bundesrat beweist immer wieder, dass die Länder in der Lage sind, Gemeinsamkeiten zu finden statt Unterschiede zu suchen. Der Bundesrat hat seine Sternstunden, wenn es uns gelingt, das große Ganze im Blick zu haben. Diese Balance ist die Stärke unseres Föderalismus. Hüten wir uns also alle miteinander vor der Versuchung, unsere Länderinteressen parteipolitisch einzufärben. Ziehen wir an einem Strang für die Zukunft des gesamten Landes!

Ich danke meiner Vorgängerin Manuela Schwesig, die den Bundesrat souverän und klug geleitet hat. Sie hat von den vielfältigen Begegnungen hier berichtet. Und wir alle haben den Tag der Deutschen Einheit in Schwerin als einen wunderbaren Höhepunkt ihrer Präsidentschaft erlebt. Im Namen aller Kolleginnen und Kollegen gratuliere ich Dir, liebe Manuela, und deinem Team zu einer sehr gelungenen Präsidentschaft. Ebenso danke ich Peter Tschentscher, der aus dem Präsidium ausscheidet, und freue mich auf die Zusammenarbeit mit Andreas Bovenschulte als neuem Vizepräsidenten, der den Staffelstab von Hansestadt zu Hansestadt übernimmt.

Europäisch betrachtet wechselt die Bundesratspräsidentschaft von der polnischen zur französischen und luxemburgischen Grenze. Das Saarland mag am Rande der Bundesrepublik liegen. Zoomt man ein wenig raus, liegen wir aber im Herzen Europas. Die Saarländerinnen und Saarländer wechselten in den letzten 200 Jahren achtmal den Pass, ohne dabei jemals ihr Dorf zu verlassen. Aber, wo einst die Schützengräben immer tiefer wurden, vertiefen wir heute die deutsch-französische Freundschaft – und auch die mit Luxemburg. Der Geist von Schengen zählt zu unserer politischen DNA und ist - nicht nur anlässlich des 40. Jahrestags der Unterzeichnung im nächsten Jahr - bei uns an der Grenze tägliche, gelebte Realität.

Meine Bundesratspräsidentschaft soll ein Beitrag und ein Bekenntnis zu dem starken Europa sein, das uns, unsere Freiheit und unseren Wohlstand seit über 70 Jahren prägt. Das sage ich auch als amtierende deutsch-französische Kulturbevollmächtigte.

Und deshalb möchte ich meine Präsidentschaft mit einem Impuls für das Weimarer Dreieck aus Frankreich, Polen und Deutschland verbinden. Ich möchte beitragen, dieses Weimarer Dreieck weiter zu revitalisieren und Europa damit zu stärken. Das ist das Hoffnungssignal, das in der proeuropäischen Wahl in Polen steckt.

Unsere drei Länder verbindet die Erfahrung von Krieg und die Sehnsucht nach Frieden. Aber: In unserer Nachbarschaft, auf europäischem Boden, in der Ukraine herrscht Krieg. Ein Krieg, den Kreml-Despot Putin zwar militärisch gegen die tapferen Ukrainer führt, aber im Geiste ebenso gegen das demokratische Europa, gegen unsere Freiheit. Dem stellen wir uns entgegen und unterstützen die Ukraine militärisch, finanziell, humanitär und auch mit diplomatischen Initiativen. Nichts wünschen wir uns gemeinsam mit den Ukrainerinnen und Ukrainern sehnlicher als dass der russische Angriffskrieg enden möge!

Doch nicht nur das. Allerspätestens die Entwicklungen in den USA zeigen: Ein einiges, starkes Europa ist nicht nur eine Lehre aus der Vergangenheit, sondern ein Auftrag für unsere Zukunft.

Vor genau 65 Jahren übernahm das Saarland zum ersten Mal die Präsidentschaft des Bundesrates. Unsere Geschichte ist geprägt von Wandel: 1957 sind wir das älteste der „neuen“ oder das jüngste der „alten Bundesländer“ geworden. Bei uns an der Saar wurde sozusagen die deutsche Wiedervereinigung geübt.

Dazu kamen wirtschaftliche Krisen, die das Saarland immer wieder mit voller Wucht getroffen haben. Auch im Moment spüren wir die Lage früher und härter als andere. Wandel ist also unser ständiger Begleiter - eine Herausforderung, die wir immer mit harter Arbeit, Zusammenhalt und aber vor allem auch mit Zuversicht angegangen sind. Ansätze, die auch aktuell eine gute Grundlage sind, um den Wandel erfolgreich zu gestalten. Unsere Präsidentschaft haben wir deshalb unter das Motto „Zukunft durch Wandel“ gestellt.

Das ist die zentrale Herausforderung unserer Zeit: Die Neuvermessung der Welt durch Digitalisierung, Klimawandel und tektonische Verschiebungen der Geopolitik verlangen von uns einen tiefgreifenden Umbau. Wir werden manches verändern müssen, damit vieles so bleibt, wie wir es lieben.

Es ist weniger ein Wind des Wandels, in dem wir stehen. Es wird aktuell wohl eher als ein Sturm des Wandels empfunden. Vor allem, weil wir wirtschaftlich durch ein Tal gehen, da sich aktuell eine Konjunkturdelle mit schon länger bestehenden strukturellen Problemen verschränkt. Das große Versprechen, die Wirtschaft unseres Landes ohne Verluste bei Wachstum und Wohlstand zu erneuern, wird ohne finanzielle Begleitung durch den Staat nicht eingehalten werden können. Genau diese Investitionen müssen einen Beitrag dafür leisten, gleichzeitig Klima und Arbeitsplätze zu schützen.

Manch einer sagt uns Saarländerinnen und Saarländern einen besonderen Zusammenhalt nach. Weil wir ein kleines Land sind. Weil unser Schicksal oft von außen bestimmt wurde. Weil unter Tage Kameradschaft lebenswichtig war.

Haupt- und ehrenamtliche Hilfe für andere ist der beste Ausweis für diese Mentalität. Deshalb freue ich mich, heute eine Delegation des THW zu begrüßen. Gerade in Zeiten zunehmender Extremwetterereignisse sind alle Hilfsorganisationen und die Feuerwehr noch unverzichtbarer, wie wir leider dieses Jahr in mehreren Bundesländern erlebt haben. Dass dabei nicht noch mehr passiert ist, verdanken wir tausenden Helferinnen und Helfern - Schutzengeln wie Ihnen -, die die Menschen in Sicherheit gebracht und gegen die Zerstörungen gekämpft haben.

Meine sehr verehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

auch wenn die Legislaturperiode nun früher endet, gibt es eine Reihe von Vorhaben, mit denen wir uns zu befassen haben. Für die Frage, was wir jetzt noch anpacken, sollten wir selbstbewusst sagen, gibt es eine gute Richtschnur. Das, was alle 16 Länder hier im Bundesrat oder auch in der Ministerpräsidentenkonferenz beschlossen haben, hat eine gute Grundlage, um noch auf den Weg gebracht zu werden. Dass in der letzten Woche eine Einigung beim Deutschlandticket möglich war, zeigt das hohe Verantwortungsbewusstsein der Länder und des Bundes.

Ich halte es für wichtig, den Eindruck eines Stillstandes bis zur Neubildung einer Bundesregierung nicht aufkommen zu lassen. Nicht erst seit den jüngsten Wahlen sehen wir, dass das Vertrauen in den Staat gelitten hat. Das spielt politischen Kräften in die Hände, deren Geschäftsmodell nicht aus Lösungen besteht, sondern aus der Angst vor Problemen und Veränderung. Und die deshalb vor allem ein Interesse am Fortbestand dieser Probleme haben.

Ich glaube, allen verantwortlichen demokratischen Kräften muss daran gelegen sein, den Fokus aufs Machen zu legen. Denn das unterscheidet sie von Kräften, die Verantwortung in Wirklichkeit gar nicht anstreben. Deshalb müssen wir auch sorgsam mit dem Zusammenwirken der Verfassungsorgane untereinander umgehen. Bei allem Verbesserungsbedarf im Zusammenspiel etwa von Bund und Ländern: Ersparen wir es uns, institutionelle Schwarzer-Peter-Spiele zu spielen und ziehen wir an einem Strang für sachgerechte Lösungen, die den Bürgerinnen und Bürgern helfen.

Lassen Sie uns gerade in Zeiten von Krisen und Wandel in unserer Arbeit die große Ernsthaftigkeit dieses Hauses ausstrahlen. Dafür brauchen wir die Normalität, dass Entwürfe umfassend beraten werden können. Wie auch das Zutrauen, dass am Ende ein Kompromiss steht und nicht die Niederlage des einen oder anderen. Eine reibungslose Funktionsfähigkeit des Staates ist die Grundlage für Vertrauen - tun wir alles dafür, um das zu gewährleisten.

Unsere Demokratie und unser Grundgesetz sind unser höchstes politisches Gut. In diesem Jahr haben Bundestag und Bundesrat das 75-jährige Bestehen des Grundgesetzes gefeiert. Dessen Grundwerte geben uns die Orientierung und die Kraft, auch die größten Herausforderungen zu meistern.

Nächstes Jahr feiern wir nicht nur 35 Jahre Deutsche Einheit und 80 Jahre Kriegsende, sondern auch den Ausgang des Saarreferendums von 1955, das den Weg des Saarlandes in die Bundesrepublik wies. Das kommende Jahr wird daher ein besonderes. Gerne möchte ich Sie schon heute zum Tag der Deutschen Einheit ins Saarland einladen. Der Festakt wird fünf Kilometer Luftlinie von der französischen Grenze stattfinden. Das Saarland freut sich auf Sie, ich freue mich auf die Zusammenarbeit im kommenden Jahr.

Bon courage und Glückauf.

Stand 22.11.2024

Mehr zur Präsidentschaft:

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