Gedenken zum Anschlag in Hanau Die Opfer waren keine Fremden



- Es gilt das gesprochene Wort -

Meine sehr geehrten Damen und Herren,
liebe Kolleginnen und Kollegen,

Wieder mussten wir einen Mordanschlag in unserem Land ertragen, dieses Mal in Hanau. Wir müssen die Erinnerung an die Opfer wachhalten. Auch im Bundesrat möchten wir deshalb heute der Opfer und ihrer Angehörigen gedenken.

Der Anschlag war gerichtet gegen vermeintlich "Andere", "Fremde". Menschen, denen der Täter das Recht zu leben abgesprochen hat. Er war gerichtet gegen unsere Mitmenschen, gegen unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Er war gerichtet gegen uns!

Wie kann es sein, dass Menschen, getrieben von ihrem Hass, ihre menschenverachtenden Gedanken in Taten umsetzen? Wie kann es sein, dass Hasspredigten, Lügen und nationalsozialistisches Gedankengut im Internet verbreitet werden? Was können wir dagegen unternehmen, dass sich immer wieder Fanatiker und Kriminelle jeglicher Couleur finden und verbünden? Wie können die Täter immer wieder an Waffen gelangen? Wir müssen uns mit diesen Fragen beschäftigen und aus den möglichen Antworten Konsequenzen ziehen.

Ungehindert und ungestraft wird im Internet vom "Volkstod durch Bevölkerungsaustausch" gesprochen, werden Verschwörungstheorien verbreitet. Der Täter von Hanau nahm diese und andere nur allzu gern als vermeintliche Rechtfertigung für seine Tat.

Er zog seine angebliche Legitimation aus dem ideologischen Überbau, den solche nationalsozialistischen Parolen über die Medien quasi "frei Haus" liefern.

In unserem Land findet eine schleichende Veränderung statt. Die Grenzen des Sagbaren werden immer wieder gezielt verschoben, bis an die Grenzen des Ertragbaren und darüber hinaus. Bis Rassisten sich so sehr in ihrem fanatischen Glauben bestätigt und bestärkt fühlen, dass sie ihre Fantasien in Taten umsetzen.

Hanau ist dabei leider kein Einzelfall: Deutschland ist wiederholt Schauplatz rassistischer, fanatischer und antisemitischer Übergriffe, Beleidigungen und Anschläge geworden. Menschen werden wegen ihres Glaubens, ihrer Herkunft oder auch nur wegen ihres Aussehens angegriffen und sogar getötet. Viel zu lange wurde die terroristische Bedrohung von rechts unterschätzt. - Das alles gab es in diesem Land schon einmal! Das darf sich nicht wiederholen.

Aus unserer gemeinsamen Geschichte erwuchs ein Grundkonsens unserer Gesellschaft, mit dem jeder von uns aufgewachsen ist, gleichgültig, in welchem Teil Deutschlands das war. Dieser Grundkonsens lautet nach wie vor: "Nie wieder!"

Nie wieder, meine sehr verehrten Damen und Herren, und ich bin mir sicher: die ganz überwältigende Mehrheit in unserem Land teilt diesen Grundkonsens.

Für unsere gemeinsame Zukunft werden wir darum kämpfen müssen, dass er von allen, wirklich allen, eingehalten wird.

Für heute aber möchte ich Sie bitten, Ihre Aufmerksamkeit auf die Opfer zu richten. Bei ihnen sind wir nun in unseren Gedanken. Sie haben ihr Leben verloren. Ihnen und all ihren Angehörigen gilt unser ganzes Mitgefühl.

Diese Menschen waren keine "Fremden". Sie waren nicht "anders". Sie lebten und arbeiteten in unserem Land. Sie waren unsere Mitbürgerinnen und Mitbürger. Und selbst wenn sie fremd und anders gewesen wären: das wäre doch eine Bereicherung für unser Land und keine Gefahr!

Für die neun Familien der Opfer wird es von nun an nur noch ein Leben vor und ein Leben nach dem Anschlag von Hanau geben. Die Kinder, Eltern, Geschwister, Großeltern müssen unfassbares Leid ertragen, für sie wird ihr Leben nie mehr werden, wie es war. Sie haben ihre nächsten Anverwandten verloren.

Man sagt, für Eltern ist es das Schlimmste, wenn sie ihre eigenen Kinder zu Grabe tragen müssen. All diese jungen Opfer von Hanau hatten Eltern, vielleicht Großeltern, für die dieser Alptraum jetzt bittere Realität geworden ist.

Jedes Kind, das durch die Tat den Vater, die Mutter, verloren hat, wird für sein Leben gezeichnet sein. Sie werden Halbwaisen sein. Das wird sich für sie nicht mehr ändern und noch im Erwachsenenleben werden sie daran zu tragen haben.

Der Hass hat wieder einmal - und schon viel zu oft - Menschenleben gefordert. Das für die Zukunft zu verhindern und den Angehörigen der Opfer mit aller Kraft und dauerhaft beizustehen, wird unsere gemeinsame Aufgabe sein.

Ich bitte Sie nun, sich zu Ehren der Opfer von Ihren Plätzen zu erheben.

Ich danke Ihnen.

Stand 13.03.2020

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