'Wir brauchen eine Stärkung des Föderalismus'
Geleitwort von Peter Müller zur Bundesratspräsidentschaft 2008/09

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© Peter Müller

Für die Bundesrepublik Deutschland wird das Jahr 2009 ein Jahr der Jubiläen. Vor 60 Jahren wurde in Bonn das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland verkündet. Vor 20 Jahren fiel die Mauer, die Deutschland in Ost und West teilte.

Die Zukunft Deutschlands war 1949 ungewiss. Das Grundgesetz sollte in zeitlicher und räumlicher Hinsicht eine Etappe auf dem Weg zur Schaffung einer neuen staatlichen Ordnung in einem ungeteilten Deutschland sein. Die damals in der Präambel enthaltene Aufforderung an das gesamte deutsche Volk, in freier Selbstbestimmung die Einheit und Freiheit Deutschlands zu vollenden, wurde nach dem Fall der Mauer 1989 Realität. Das Grundgesetz ist kein Provisorium mehr. Das Saarland kennt die Schwierigkeiten, die mit einem Beitritt verbunden sind und weiß um die mühsamen Anpassungsprozesse aus eigener Erfahrung. Auch wenn noch große Herausforderungen zu bewältigen sind, ist auf dem Weg zur inneren Einheit Deutschlands bereits viel erreicht und erscheint uns selbstverständlich.

Das Grundgesetz hat sich bewährt. Nach Vollendung der deutschen Einheit ist es aber eine der wichtigsten Aufgaben, die bundesstaatliche Ordnung zu modernisieren und klare politische Verantwortlichkeiten zu erreichen. Mit der Föderalismusreform 2006 ist ein erster Schritt zur Entflechtung getan. Mit der anstehenden Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen gilt es die Länder auch im Sinne einer bürgernahen Verwaltung zu stärken. Maßnahmen zur Rückführung der Staatsverschuldung sollen den föderalen Wettbewerb sichern und gleichzeitig die Eigenständigkeit der Länder gewährleisten. Was wir brauchen ist eine Stärkung des Föderalismus. Denn das bleibt das Ziel umsichtiger Politik: Bürger, die nicht einer zentralen Gewalt ausgeliefert sind. Gerade der Föderalismus erweist sich als die integrierende Kraft zwischen Zentralismus und Regionalismus.

Es gibt dabei Herausforderungen, die alle staatlichen Ebenen treffen. Ich teile die Einschätzung meines Vorgängers im Amt des Bundesratspräsidenten Ole von Beust, der auf das fehlende Vertrauen der Deutschen in ihre politische Führung verwies. Seiner Aufforderung, den Föderalismus offensiv zu interpretieren und die Anliegen der Menschen aus den Ländern nach Berlin mit dem Schwung zu tragen, den sie verdienen, füge ich hinzu: Die Demokratie lebt vom bürgerschaftlichen Engagement. Die Meinungsbildung im Bundesrat, der Politik gestaltet und Mitverantwortung für unser Staatswesen trägt, ist nicht losgelöst von der Stimme des Volkes. Dabei ist klar: Nicht immer ist es möglich, dass sich jeder in den Beschlüssen des Bundesrates wiederfindet. Der Bundesrat entscheidet auf der Basis von Mehrheiten. Oft gilt es zwischen Vor- und Nachteilen abzuwägen. Die Ergebnisse dieser manchmal langwierigen und schwierigen Entscheidungsprozesse zu vermitteln, ist Aufgabe der Mitglieder des Bundesrates. Der Bürger, der sich einsetzt, verdient es, ernst genommen zu werden. Die aktive Bürgergesellschaft ist für unser Gemeinwesen von unschätzbarer Bedeutung, vieles wäre in unserem Land ohne deren Beitrag nicht realisierbar. Deshalb ist es Auftrag der Politik, bürgerschaftliches Engagement zu fördern und den Anliegen der ehrenamtlich Tätigen Beachtung zu schenken.

Politik wird zunehmend auch auf europäischer Ebene gestaltet und wirkt sich unmittelbar in Deutschland aus. Das Saarland als eine Kernregion Europas weiß um die Bedeutung des europäischen Gedankens und verfügt über vielfältige Erfahrungen grenzüberschreitender Zusammenarbeit. Gerade hier zeigen sich die Vorteile kleiner Einheiten. Auf europäischer Ebene ist inzwischen das Bewusstsein dafür gewachsen. Der Vertrag von Lissabon erkennt an, dass es die nationale Identität zu achten gilt, die auch die politische und verfassungsrechtliche Struktur einschließlich der regionalen und kommunalen Selbstverwaltung umfasst. Er stärkt die Rolle der nationalen Parlamente. Der Föderalismus symbolisiert also nicht nur die historische und kulturelle Identität Deutschlands. In vielen Staaten gehört das föderale Prinzip zu den tragenden Verfassungselementen. Auch die institutionelle Ordnung der Europäischen Union fußt letztlich auf einem föderalen Grundverständnis.

Dem Bundesrat kommt in diesem Geflecht deutscher und europäischer Politik eine wichtige Rolle für die äußere und innere Einheit Deutschlands zu. Sie wird von engagierten Bürgerinnen und Bürgern getragen und profitiert von der Vielfalt in den Ländern.

Stand 03.11.2008

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