"Die bundesstaatliche Ordnung weiter modernisieren und klare Verantwortlichkeiten schaffen"

Portraitfoto

© Peter Müller

Seit dem 1. November 2008 ist Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes, Präsident des Bundesrates. In seine Amtszeit fällt das 60-jährige Bestehen des Bundesrates und der 20. Jahrestag des Mauerfalls. Mit Blick auf diese Jubiläen spricht 'Bundesrat aktuell' mit Peter Müller über sein neues Amt, seine Vorhaben und die Einflussmöglichkeiten kleiner Länder auf die Bundespolitik.

Herr Ministerpräsident, Sie sind seit 1. November Präsident des Bundesrates. Was verbinden Sie mit diesem Amt?

Das Amt des Bundesratspräsidenten als vierter saarländischer Ministerpräsident zu übernehmen, empfinde ich als ehrenvolle Aufgabe, denn der Bundesrat trägt Mitverantwortung für unser gesamtes Staatswesen und gestaltet die Politik in unserem Land wesentlich mit. Der Bundesratspräsident leitet die Sitzungen, vertritt die Bundesrepublik Deutschland in allen Angelegenheiten, die den Bundesrat selbst betreffen, und nimmt auch die Befugnisse des Bundespräsidenten wahr, wenn dieser an der Amtsausübung gehindert ist. Das Amt des Bundesratspräsidenten ist dem Streit der Länder und Parteien entzogen und es gehört zu den Aufgaben des Präsidenten, die Bürgerinnen und Bürger einzubeziehen und ihnen die Ergebnisse der zuweilen schwierigen politischen Entscheidungsprozesse zu vermitteln. Vor allem dies ist mir nach meinem Politikverständnis sehr wichtig.

Welche Schwerpunkte wollen Sie in Ihrem Amt setzen?

Foto: Peter Müller am Rednerpult im Plenarsaal des Bundesrates

Bundesratspräsident Peter Müller im Interview

© Bundesrat | Frank Bräuer | 2008

Nach Vollendung der deutschen Einheit ist es eine der wichtigsten Aufgaben, die bundesstaatliche Ordnung weiter zu modernisieren und klare Verantwortlichkeiten zu schaffen. Mit der Föderalismusreform 2006 ist ein erster Schritt getan. Jetzt geht es um die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Daneben ist es mir ein besonderes Anliegen, das bürgerschaftliche Engagement zu stärken. Die Demokratie lebt vom bürgerschaftlichen Engagement. Es ist deshalb eine Verpflichtung für die Politik, dieses Engagement zu fördern und ihm die notwendige Bedeutung zu schenken.

Als Ministerpräsident des Saarlandes und Mitglied des Bundesrates wirken Sie über den Bundesrat an der Gesetzgebung und Verwaltung des Bundes mit. Was bedeutet dies konkret für die Bürgerinnen und Bürger ihres Landes?

Der Einfluss der Länder ist keineswegs gering. Ich will ein Beispiel nennen: Nachdem der Bundesrat sich in mehreren Entschließungen, die von Hessen, Hamburg, dem Saarland und auch Niedersachsen initiiert wurden, für verbesserte Maßnahmen gegen die Gefährdung des Kindeswohls eingesetzt hat, sind inzwischen die Kinder-Richtlinien des Gemeinsamen Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen geändert und sehen die Verpflichtung des untersuchenden Arztes vor, die notwendigen Schritte bei erkennbaren Zeichen einer Vernachlässigung oder -misshandlung einzuleiten. Darüber hinaus wurde zum 1. Juli 2008 die Dichte der Früherkennungsuntersuchungen für Kinder erhöht, indem mit der U7a eine zusätzliche Untersuchung für Kinder im Alter von drei Jahren eingeführt worden ist. Dies geht also auf Forderungen der Länder zurück, die über den Bundesrat damit einen wesentlichen Impuls zur Verhinderung der Vernachlässigung und des Missbrauchs unserer Kinder gesetzt haben.

Welchen Einfluss kann ein kleines Land wie das Saarland mit 3 von 69 Stimmen auf das Geschehen im Bundesrat nehmen?

Foto: Peter Müller (links) und  Karl Rauber, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten

Bundesratspräsident Peter Müller im Interview

© Bundesrat | Frank Bräuer | 2008

Die Stimmenstaffelung im Bundesrat richtet sich nach der Bevölkerungszahl und entspricht damit deutscher verfassungsrechtlicher Tradition. Sie berücksichtigt die unterschiedliche Größe der Länder, ohne den großen Ländern ein entscheidendes Übergewicht zu verschaffen. Neben dem rein numerischen Stimmengewicht ist aber auch zu berücksichtigen, dass die Beschlüsse des Bundesrates auf Beratungen und Koordinierungsgesprächen beruhen, bei denen die Mehrheitsverhältnisse keine Rolle spielen. Daher kann auch ein Land wie das Saarland die Entscheidungsfindung im Bundesrat wesentlich beeinflussen.

In Zeiten der großen Koalition gibt es wenig öffentlich wahrnehmbare Konflikte zwischen Bundestag und Bundesrat. Geht das zu Lasten der Länderinteressen?

Nein. Gerade die Debatte zum Finanzmarktstabilisierungsgesetz hat gezeigt, dass auch in Zeiten großer Koalitionen Konflikte zwischen Bund und Ländern nicht ausbleiben. Wie die Zahl der Vermittlungsverfahren zeigt, trifft es allerdings zu, dass in solchen Zeiten erfahrungsgemäß viele Konflikte im Vorfeld des parlamentarischen Verfahrens ausgeräumt werden. Dies lässt aber den Schluss auf nachteilige Auswirkungen auf Länderinteressen nicht zu. Nach meinem Eindruck gelingt es seit Bestehen der großen Koalition besser, die Länder frühzeitig bei der Vorbereitung der Gesetze einzubeziehen und ihre Interessen zu berücksichtigen, sodass Konfrontationen während des Gesetzgebungsverfahrens ausbleiben.

Im nächsten Jahr wir der Bundesrat 60 Jahre alt. Wie bewerten Sie seine Rolle bei der Entwicklung der Bundesrepublik im Rückblick?

Foto: Blick in den Sitzungssaal

60 Jahre Bundesrat

© REGIERUNGonline | Vollrath

Der Bundesrat als Verfassungsorgan hat sich im System der Gewaltenteilung der Bundesrepublik Deutschland bewährt. Er hat maßgeblich die Geschicke des Landes mitbestimmt und zu seiner politischen Stabilität beigetragen. Der Bundesrat ist Ausdruck des föderativen Prinzips und damit eine tragende Säule der Bundesrepublik Deutschland, die nicht mehr hinweg gedacht werden kann.

Wie wird der Bundesrat sein Jubiläum begehen?

Der Bundesrat wird am 24./25. Juni 2009 ein Föderalismussymposium durchführen, das sich mit der Rolle der Regionen im europäischen Einigungsprozess befasst. Schwerpunkt wird dabei das Spannungsfeld von Zentralismus, Regionalismus und Föderalismus sein.

Darüber hinaus wird sich der Bundesrat aus Anlass des 60. Jahrestages der Verkündung des Grundgesetzes und des 20. Jahrestages der friedlichen Revolution in der DDR an einem Bürgerfest in Berlin vom 22. bis 24. Mai 2009 beteiligen sowie zeitgleich einen Tag der offenen Tür durchführen, um im regen Austausch mit den Bürgerinnen und Bürgern über seine Aufgaben und Verantwortung als Verfassungsorgan in den letzten 60 Jahren zu informieren. Schließlich wird der Bundesrat bei den Feiern zum Tag der Deutschen Einheit am 3. Oktober 2009 vertreten sein und hierbei seine herausragende Bedeutung für den föderalen Staatsaufbau verdeutlichen.

Was wünschen Sie sich für das zukünftige Verhältnis zwischen Bund und Ländern?

In der Vergangenheit ist es trotz teilweise erheblicher unterschiedlicher Interessen von Bund und Ländern immer wieder gelungen, zu Kompromissen zu gelangen und die Handlungsfähigkeit des föderalen Systems zu beweisen. Diese Bereitschaft zum Kompromiss, ohne die Politik nicht auskommen kann, wünsche ich mir weiterhin.

Aktuell steht die Modernisierung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen als Aufgabe an. Die angestrebten Maßnahmen zur Rückführung der Staatsverschuldung müssen nicht zuletzt darauf abzielen, die Eigenständigkeit aller Länder zu gewährleisten.

Ein weiterer Jahrestag kündigt sich an: vor knapp 20 Jahren fiel die Mauer. Wie sehen Sie die Deutsche Einheit heute? Was muss noch erreicht werden?

Dass es mit dem Fall der Mauer gelungen ist, die Einheit Deutschlands in Freiheit zu vollenden, ist ein Glücksfall. Nach mühsamen Anpassungsprozessen ist bereits viel erreicht und erscheint uns heute selbstverständlich. Trotzdem gibt es noch viele Herausforderungen, die zur Angleichung der Lebensverhältnisse in Deutschland noch zu bestehen sind. Die innere Einheit ist sicherlich noch nicht vollständig erreicht. Daran gilt es weiter zu arbeiten.

Stand 04.11.2008

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