Die Geburt der neuen Länder

Foto: Abgeordneter mit Karte

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Vor 20 Jahren, im Juli 1990, beschloss die erste frei gewählte Volkskammer der DDR die Wiedereinführung der Länder. Damit war das Ende der zentralistischen Epoche in Ostdeutschland besiegelt. Bei der Grenzziehung für die neuen Länder griff man auf die Strukturen Anfang der 50er Jahre zurück - eine Zeit, in der die Verfassung der DDR noch föderal ausgerichtet war.

Schon bei den ersten Demonstrationen im Herbst 1989 in Dresden tauchten sächsische Fahnen auf, obwohl das Land Sachsen seit fast vier Jahrzehnten nicht mehr existierte. Zusammen mit Rufen nach Freiheit und Demokratie bekundeten auch in anderen Teilen der DDR die Menschen ihre Verbundenheit zu ihren Regionen. Schon wenige Monate nach dem Mauerfall, am 22. Juli 1990, verabschiedete die erste frei gewählte Volkskammer schließlich ein Gesetz zur Gründung der Länder Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen.

Foto: Demonstranten mit Fahnen

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Das Ländereinführungsgesetz belebte föderale Strukturen, die kurzzeitig bereits nach dem II. Weltkrieg im Osten Deutschlands existierten. Damals bildete die sowjetische Militäradministration auf dem von ihr besetzten Gebiet fünf Länder, deren Aufgliederung sich an den historischen Grenzen orientierte, wobei das Gebiet Preußens in den Ländern Mark Brandenburg und Sachsen-Anhalt aufging und Berlin als Viersektorenstadt einen eigenen Status behielt.

Länder und Länderkammer in der DDR

Auch die erste Verfassung der DDR von 1949 bekannte sich zu den Ländern. So heißt es in Artikel I: "Deutschland ist eine unteilbare demokratische Republik; sie baut sich auf den deutschen Ländern auf." Darüber hinaus sah die Verfassung die Bildung einer Länderkammer vor, mit der die Länder ihre Interessen in der Republik vertreten sollten. Die Kammer hatte das Recht, Gesetzesvorlagen einzubringen und konnte Einspruch gegen die Beschlüsse der Volkskammer erheben, wovon sie jedoch nie Gebrauch machte. Die Mitglieder dieser Kammer wurden von den Landtagen bestimmt.

Obwohl die Länder in der DDR weniger Befugnisse hatten als die Länder in Westdeutschland, waren sie der Staatsführung schon früh ein Dorn im Auge und störten beim Aufbau des "Demokratischen Zentralismus", mit dem die SED Einfluss und Kontrolle bis in die kleinste Verwaltungseinheit erlangen wollte.

Foto: Karte von 1952

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Mit einer Verwaltungsreform beendete die SED-Führung im Juli 1952 faktisch die Epoche des Föderalismus in der DDR. Die Länder mussten ihre Kreise neu gliedern und diese in insgesamt 14 Bezirke zusammenfassen. Dem folgte die Auflösung der Landtage, deren Mitglieder nun den Bezirkstagen angehörten.

Trotzdem es nun keine Länder mehr gab, bestand die Länderkammer noch einige Jahre fort. Erst im Dezember 1958 löste ein Volkskammergesetz sie endgültig auf. Selbst in diesem Fall erhob die Länderkammer keinen Einspruch.

Schließlich erinnerte in der Verfassung der DDR nichts mehr an die Länder und eine auch nur in Ansätzen föderale Gewaltenteilung.

Starke föderale Tradition

Foto: Demonstranten mit Transparent

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Regionalbewusstsein, Bräuche, Traditionen und geschichtliche Verbundenheit überdauerten die SED-Herrschaft, so dass nach deren Fall zügig eine Rückbesinnung auf die Länder einsetzte. Die wenig ausgeprägte Identifikation der Ostdeutschen mit ihren Bezirken verstärkte diese Entwicklung. Schließlich erfolgte die Gliederung der Bezirke im Jahre 1952 vor allem unter ökonomischen und sicherheitspolitischen Aspekten und ohne Rücksicht auf soziokulturelle Gegebenheiten.

Außerdem nahm die Bevölkerung der DDR die Bezirksverwaltungen überwiegend als verlängerten Arm der SED wahr - also des Regimes, gegen das sich die friedliche Revolution von 1989 richtete. Insofern bestand kein Widerstand gegen die Ablösung des zentralistischen Verwaltungssystems.

Nicht zuletzt beförderte der Wunsch vieler DDR-Bürger nach einer schnellen Vereinigung mit der Bundesrepublik die Wiederherstellung föderaler Strukturen. Darum sahen sie in der Gründung der Länder einen wichtigen und unausweichlichen Schritt auf dem Weg zur Deutschen Einheit.

Diskussionen um Ländergrenzen

Inhaltlich legte das Ländereinführungsgesetz von 1990 nicht nur die Grundlage für die territoriale Ausgestaltung der Ländergrenzen, sondern regelte auch die Aufteilung der Gesetzgebungs- und Verwaltungskompetenzen sowie die Finanzbeziehungen zwischen der Republik und den Ländern.

Foto: Blick in den Volkskammersaal

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Die letztgenannten Punkte entsprachen im Wesentlichen den Festlegungen im Grundgesetz. Mit Blick auf den bald bevorstehenden Beitritt zur Bundesrepublik verzichtete man aber auf die Einrichtung eines Länderrates als Äquivalent zum Bundesrat. Stattdessen sah man für die Übergangszeit ein Einspruchsrecht für die Ministerpräsidenten der Länder bei Beschlüssen der Volkskammer vor.

Kontrovers diskutierten die Abgeordneten der Volkskammer Struktur und Anzahl der zu bildenden Länder und den Verlauf der Ländergrenzen. Über 2000 Vorschläge lagen den Ausschüssen vor. Darunter Modelle zur Einführung von zwei oder aber auch elf Ländern. Letztlich einigte man sich auf die Bildung von fünf Ländern. Ihre Grenzen orientieren sich in etwa an dem Verlauf, wie er Anfang der 50er Jahre bereits bestand. Eine Ausnahme machten 15 Kreise, deren Kreistage sich für die Zugehörigkeit zu einem anderen Land entschieden. Zumeist entsprach dies dem in Bürgerbefragungen ermittelten Mehrheitswillen der Einwohner.

16 Länder seit 3. Oktober 1990

Das Inkrafttreten des Ländereinführungsgesetzes war ursprünglich für den 14. Oktober 1990 vorgesehen. Mit dem Einigungsvertrag wurde dieser Termin jedoch auf den Tag der Wiedervereinung, den 3. Oktober 1990, vorgezogen. So entstanden Brandenburg Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen, Sachsen-Anhalt und Thüringen gleichzeitig mit der Deutschen Einheit.

Foto: Vor dem Reichstagsgebäude wehen die Fahnen der alten und neuen Bundesländer

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Seither haben sich unterschiedliche Bezeichnungen für diese Länder eingebürgert. Meist spricht man von den "fünf neuen Ländern" oder umgangssprachlich von "Ostdeutschland". In den 90er Jahren war häufig auch vom "Beitrittsgebiet" oder den "Jungen Ländern" die Rede. Scherzhaft wird auch von "Neufünfland" gesprochen. Immer seltener hört man die Begriffe "ehemalige DDR" und gar "Zone" oder "Drüben", womit die DDR in der alten Bundesrepublik bezeichnet wurde.

Die Entwicklung zeigt, dass 20 Jahre nach der Wiedervereinigung die Unterscheidung zwischen alten und neuen Ländern, Ost und West langsam aber stetig in den Hintergrund tritt. Insbesondere die jungen Generationen ohne direkte Erinnerung an die deutsche Teilung nehmen diese Grenzziehung immer seltener wahr.

Stand 06.07.2010

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