Die verstärken Beteiligungsrechte resultieren aus dem Vertrag von Lissabon und den hierzu ergangenen Begleitgesetzen. Der Bundesrat, der nach dem Grundgesetz ohnehin in Angelegenheiten der Europäischen Union mitwirkt, erhielt durch den EU-Reformvertrag unter anderem zusätzlich das Recht zur sogenannten Subsidiaritätsrüge. Dieses neue Instrument gibt dem Bundesrat die Möglichkeit, in laufenden Rechtsetzungsverfahren der EU die Verletzung des Subsidiaritätsprinzips - nach dem die Union nur tätig werden darf, wenn die politischen Ziele besser auf Gemeinschaftsebene zu erreichen sind - zu rügen.
Mehr Verantwortung
Die neuen Möglichkeiten führen auch dazu, dass die Europakammer des Bundesrates deutlich stärker als in der Vergangenheit gefordert ist. Dies hängt mit den Fristen zusammen, innerhalb derer entsprechende Rügen zu erheben sind. Im Normalfall beträgt die Frist acht Wochen, beginnend mit dem Versand des entsprechenden Dokuments der Europäischen Kommission.
Da der Bundesrat in der Regel nur zu elf bis zwölf Sitzungen im Jahr zusammenkommt, können insbesondere in den parlamentarischen Sommerferien oder den üblichen Pausen zu Ostern und Weihnachten Probleme beim Einhalten der Fristen entstehen. Dieser Umstand führte im noch jungen Jahr dazu, dass die EU-Kammer bereits in neun Fällen - durch schriftliche Umfrageverfahren - tätig werden musste, wobei sie zur "Richtlinie über alternative Streitbeilegung" und zur "Verordnung über Betriebsbeschränkungen auf Flughäfen" Subsidiaritätsrüge erhob.

Erste Sitzung der damaligen EG-Kammer 1988
Die Europakammer erhielt ihren Namen im Jahr 1993 nach der Gründung der Europäischen Union und ist im Gegensatz zu ihrer Vorgängerin "EG-Kammer", die bereits im Jahr 1988 ins Leben gerufen wurde, im Grundgesetz verankert. Sie wird tätig, wenn eine schnelle Reaktion des Bundesrates erforderlich ist oder vertrauliche Vorgänge zu beraten sind.
Der "kleine Bundesrat" in Europaangelegenheiten

Vorsitzende der Europakammer: Staatsministerin Emilia Müller
© Bundesrat | 2012
Nach dem Grundgesetz gelten die Voten der Kammer in Angelegenheiten der Europäischen Union als Beschlüsse des Bundesrates. Die Stimmenverteilung entspricht unverändert den verfassungsrechtlichen Vorgaben für den Bundesrat. Das bedeutet, dass jedes Land - abhängig von seiner Einwohnerzahl - zwischen drei und sechs Stimmen besitzt. Hier liegt auch ein bedeutender Unterschied zu den Bundesrats-Ausschüssen, in denen jedes Land nur über eine Stimme verfügt. Da alle Länder in der EU-Kammer vertreten sein müssen, verfügt das Gremium über 16 Mitglieder. Vorsitzende ist zurzeit Staatsministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten Emilia Müller (Bayern).
Bedeutung Europäischer Vorlagen steigt weiter
Die Tagesordnung der Länderkammer für den 10. Februar 2012 wird von europäischen Vorlagen dominiert. 47 der insgesamt 86 Punkte - und damit über 50 Prozent - unterliegen der Federführung des EU-Ausschusses. Dies zeigt einmal mehr sehr deutlich, welchen herausragenden Stellenwert das europäische Recht mittlerweile in Deutschland einnimmt. In diesem Zusammenhang ist ein Blick auf die zahlenmäßige Entwicklung von großer Aussagekraft. Während die Zahl der dem Bundesrat in der 15. Wahlperiode des Deutschen Bundestages zugeleiteten EU-Vorlagen bei "nur" 511 lag, ist diese in der 16. Legislaturperiode bereits auf 567 gestiegen. In der derzeitigen 17. Wahlperiode, die erst im September nächsten Jahres endet, liegt die Zahl schon jetzt bei über 420. Eine erneute Steigerung bis zum Ablauf der Legislatur ist also absehbar.