Nachdem Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble bei den Ländern um Zustimmung zu den Gesetzespaketen geworben hatte, äußerten sich fünf Ministerpräsidenten in der knapp 90-minütige Debatte. Parteiübergreifend betonten sie die gemeinsame Verantwortung für Europa und die Währungsunion.
Bundesfinanzminister Schäuble wies darauf hin, dass ein baldiges Inkrafttreten beider Verträge zur Bekämpfung der akuten Krise notwendig ist. Insbesondere gehe es darum, die entstandene Verunsicherung der Finanzmärkte zu beheben. Die bisherigen vertraglichen Möglichkeiten hätten dazu bisher nicht ausgereicht. Im Grundsatz sei man nun auf einem richtigen Weg. Es gelte Schritt für Schritt, die Probleme zu lösen. Ein Scheitern der Verträge würde zu unabsehbaren Folgen für Deutschland führen.
Ministerpräsidenten betonen gemeinsame Verantwortung
Ministerpräsident Beck (Rheinland-Pfalz) betonte, dass alle Bundesländer ihre Verantwortung für die gemeinsame Währung übernehmen. Es gebe auch gute Gründe für berechtigte Zweifel. Für ein solidarisches und erfolgreiches Europa sei es jedoch erforderlich, den Euro nunmehr auf eine solide Grundlage zu bringen. Der Ausstieg aus dem Euro sei keine Option. Deshalb sei der mühsame Weg nun zu gehen. Die getroffenen Maßnahmen seien unverzichtbar.

Bundesfinanzminister Dr. Wolfgang Schäuble im Bundesrat
© Bundesrat | 2012
Ministerpräsident McAllister (Niedersachsen) wies darauf hin, dass man mit der Zustimmung der Verantwortung für Europa gerecht werde und Deutschland mit gutem Beispiel vorangehe. Das Verhandlungsergebnis der vergangenen Tage stelle einen fairen Ausgleich der Interessen von Bund und Ländern dar. Die vorliegenden Verträge seien ein entscheidender Beitrag, um sich gegen die Euro- Krise zu wappnen.
Ministerpräsident Kretschmann (Baden-Württemberg) machte deutlich, dass es auch darum gehe, 60 Jahre Frieden und Wohlstand zu verteidigen. Es liege im wohlverstandenen Eigeninteresse, die kriselnden Euro- Länder zu stabilisieren. Mit der Zustimmung zu ESM und Fiskalpakt leiste der Bundesrat einen wichtigen und notwendigen Schritt zur Stabilisierung nicht nur des Euro, sondern der EU insgesamt. Zugleich hob er hervor, dass Europa aus seiner Sicht nun eine Bankenunion mit einer starken europäischen Bankenaufsicht mit echten Durchgriffsrechten benötigt. Der Europäische Rat habe hierfür die Weichen gestellt.
Bundesratspräsident Horst Seehofer wies besonders darauf hin, dass die Länder bei ihren Verhandlungen mit der Bundesregierung im Vorfeld ausdrücklich ihren verfassungsrechtlichen Auftrag wahrgenommen hätten, für die Haushalte der Kommunen zu kämpfen. Er dankte der Bundesregierung, dass sie diese Verantwortung anerkennt.
Kurz vor Mitternacht stellte der Präsident die Zustimmung des Bundesrates zu ESM und Fiskalpakt fest. Außer Brandenburg hatten alle Länder für die Verträge votiert. Damit ist das parlamentarische Verfahren abgeschlossen. Ob und wann die Gesetze verkündet werden, hängt nun von der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts ab, das sich in den nächsten Tagen mit den Anträgen auf einstweiligen Rechtsschutz gegen die Vorhaben beschäftigen wird. Auf Bitte der höchsten deutschen Richter setzt Bundespräsident Joachim Gauck die Unterzeichnung zunächst aus.
Verabredungen mit der Kanzlerin

Länderchefs vor dem Bundeskanzleramt nach den Verhandlungen mit der Kanzlerin
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Hintergrund für die Zustimmung des Bundesrates sind auch die Verhandlungen zwischen den Ministerpräsidenten und der Bundeskanzlerin am 24. Juni 2012. Dabei sicherte die Bundesregierung zu, mögliche Strafzahlungen an die EU wegen Nicht-Einhaltung des Fiskalpakts durch zu hohe Verschuldung der Länder oder Kommunen zu übernehmen. Normalerweise werden solche Strafzahlungen zwischen Bund und Ländern aufgeteilt. Der Fiskalpakt soll die Länder aber nicht stärker in die Pflicht nehmen als die Schuldenbremse des Grundgesetzes, verabredeten die Regierungschefs mit der Kanzlerin. Außerdem beschlossen sie ein "intelligentes Schuldenmanagement", bei dem künftig auch eine gemeinsame Kreditaufnahme von Bund und Ländern möglich ist.
Nachtsitzung ungewöhnlich - kurze Fristen nicht
Während die Sitzungen im Deutschen Bundestag häufig bis in die Nachtstunden dauern, ist dies in der Länderkammer eher unüblich. Man muss schon tief in die 62-jährige Geschichte des Bundesrates gehen, um Abendsitzungen auszumachen: 1950, 1968 und zuletzt 1972 tagte die Länderkammer nach 18 Uhr - damals noch im Nordflügel des Bonner Bundeshauses.
Nicht außergewöhnlich ist allerdings die Kürze der Beratungsfrist und die Einberufung einer Sondersitzung. Auch frühere Euro-Rettungsmaßnahmen waren innerhalb eines oder zumindest weniger Tage durch beide Parlamente gebracht worden. Die Länder verzichteten dabei jeweils auf die Frist von drei Wochen, die das Grundgesetz eigentlich für die Beratung von Gesetzesbeschlüssen vorsieht.
Vier Beschlüsse bereits am Vormittag
Elf Stunden vor der abendlichen Debatte hatte der Bundesrat im ersten Teil der Sondersitzung ein ebenfalls eiliges Vorhaben beschlossen: das Gesetz zur Besteuerung von Sportwetten soll den Glücksspielstaatsvertrag der Länder flankieren und wird daher zeitgleich mit diesem zum 1. Juli 2012 in Kraft treten. Der Bundespräsident hat das Gesetz bereits unterzeichnet und verkünden lassen.

Bundesumweltminister Peter Altmeier im Bundesrat
© Bundesrat | 2012
Außerdem stimmte der Bundesrat am Vormittag des 29. Juni 2012 der Einführung der neuen CCS-Technologie zur unterirdischen Speicherung von Kohlendioxid zu und billigte die Kürzung der Solarförderung sowie gesetzliche Regelungen zur Mediation. Zu allen drei Vorhaben hatte der Vermittlungsausschuss nach mehrmonatigen Beratungen Einigungsvorschläge erzielt, die der Bundestag am 28. Juni 2012 bestätigte. Nachdem nun auch die Länder die geänderten Gesetze gebilligt haben, können sie dem Bundespräsidenten zur Unterschrift vorgelegt werden.