In geordneten Bahnen

Direktor des Bundesrates Gerd Schmitt

© Bundesrat | 2012

Gerd Schmitt ist seit 2010 Direktor des Bundesrates. Er kam vor zehn Jahren als Stellvertretender Direktor ins Haus und war Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses und Sekretär des Rechtsausschusses. Im Interview gibt er Einblicke in seine Arbeit und spricht über das Ansehen des Bundesrates im In- und Ausland.

Herr Schmitt, woran erinnern Sie sich, wenn Sie an Ihren ersten Arbeitstag im Bundesrat vor zehn Jahren denken?

Mit dem Bundesrat hatte ich schon bei meiner vorherigen Tätigkeit in der Landesvertretung Baden-Württemberg sehr viel zu tun. Es gab also für mich keine Überraschungen, denn ich kannte das Geschäft und wusste, was mich erwartet. Trotzdem war es ein Neuanfang, den mir die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesrates leicht gemacht haben, so dass ich mich schon nach kurzer Zeit eingelebt hatte.

Ihre neue Aufgabe war jedoch eine ganz andere.

Foto: Gerd Schmitt im Präsidium des Bundesrates im Plenarsaal

Interview mit dem Direktor des Bundesrates

© Bundesrat | 2012

Ja, denn die Arbeit in einer Landesvertretung unterscheidet sich sehr stark von einer Tätigkeit im Bundesrat.

Den Ländern geht es um die Vertretung ihrer Interessen und um die Organisation politischer Mehrheiten. Das Sekretariat des Bundesrates hingegen versteht sich als Interessenverwalter der Länder. Es organisiert den ordnungsgemäßen Ablauf des Gesetzgebungsverfahrens und erfüllt eher die Funktion eines Notars.

Welche Aufgaben übernimmt dabei der Direktor des Bundesrates?

Zu allererst unterstützt er den Präsidenten bei seiner Amtsführung und hat dafür zu sorgen, dass das Gesetzgebungsverfahren in geordneten Bahnen verläuft. Er koordiniert die Zusammenarbeit mit der Bundesregierung und den anderen Verfassungsorganen und hält engen Kontakt mit den Landesregierungen. Außerdem ist der Direktor der Verwaltungschef des Bundesratssekretariats mit seinen rund 200 Beschäftigten.

Sie sind politischer Beamter. Wie politisch ist ihre Tätigkeit?

Im Hinblick auf die Parteipolitik ist meine Arbeit als Bundesratsdirektor politisch neutral, obwohl ich natürlich immer mit Politik befasst bin.

Dies ist sicherlich auch wegen des häufigen Wechsels der Bundesratspräsidentschaft notwendig. Hat sich der jährliche Rhythmus aus ihrer Sicht bewährt?

Foto: Horst Seehofer und Gerd Schmitt

Interview mit dem Direktor des Bundesrates

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Ja, davon bin ich überzeugt. Dadurch, dass die Bundesratspräsidentschaft jedes Jahr auf ein anderes Land übergeht, haben viele Ministerpräsidenten die Gelegenheit, dieses hohe Amt zu übernehmen. Nach meiner Erfahrung erweitert diese Funktion das Gespür für die Aufgaben des Bundesrates sowie die Abläufe im Gesetzgebungsverfahren und erhöht die Sensibilität für viele bundespolitische Angelegenheiten.

In welcher Erinnerung ist Ihnen Ihre Tätigkeit als Geschäftsführer des Vermittlungsausschusses von Bundestag und Bundesrat?

Diese Aufgabe war für mich besonders spannend, denn in dieser Position steht man gewissermaßen mitten in der Küche, in der Politik gekocht wird, und lernt viel über das Geschäft der Kompromissfindung, auch wenn man selbst nicht in die Meinungsfindung eingreift. Man sorgt für den korrekten Ablauf des Verfahrens und kann damit bereits viele Steine auf dem Weg zum Kompromiss beseitigen. Für mich war es eine der interessantesten Aufgaben in den letzten Jahren.

Zumal sie in eine politisch kontroverse Zeit fiel.

Ja, in der Tat. In der 15. Wahlperiode hatten wir über 100 Vermittlungsverfahren. Im Bundesrat stand eine starke CDU/FDP-Mehrheit einer Bundesregierung aus SPD und GRÜNEN gegenüber. Die Auseinandersetzungen, etwa über die Agenda 2010, verliefen sehr kontrovers. Trotzdem wurden im Vermittlungsausschuss immer Kompromisse gefunden. Die Vorhaben der damaligen Regierung konnten - wenn auch mit Änderungen - umgesetzt werden. Insofern stimmt der vielfach eingebrachte Vorwurf, der Bundesrat sei ein Blockadeinstrument, auch in diesem Fall nicht.

Bestätigen langwierige Verhandlungen und die komplizierte Suche nach Kompromissen nicht die Kritik am deutschen Föderalismus?

Nein, gerade in der letzten Zeit hat der Bundesrat bewiesen, dass er sehr schnell reagieren kann, zum Beispiel bei Maßnahmen gegen die Bankenkrise und zur Einführung des europäischen Rettungsschirms. Hier wurden innerhalb von Tagen wichtige Gesetze auf den Weg gebracht.
Grundlegende Kritik am Gesetzgebungsprozess halte ich deshalb für falsch. Das deutsche System steht für eine ausgewogene, stabile und verlässliche Politik auch nach Regierungswechseln.

Anderseits erscheinen verkürzte Beratungsfristen des Bundesrates bei wichtigen Gesetzen wie in der letzten Zeit höchst fraglich.

Die durch das Grundgesetz für den Bundesrat bestimmten Fristen zur Beratung von Regierungsentwürfen oder von Bundestagsbeschlüssen sind knapp bemessen, schließlich müssen die Vorlagen unter den Ländern sowohl fachlich als auch politisch abgestimmt werden. Insofern sind Fristverkürzungen immer problematisch. Sie sind jedoch legitime und notwendige Einzelfälle, die nicht häufiger auftreten als in früheren Jahren auch.

Wie bewerten internationale Gesprächspartner, mit denen Sie häufig zusammentreffen, das deutsche System?

Gerd Schmitt  und Abdelouahid Khouja (r.)

Interview mit dem Direktor des Bundesrates

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Auch wenn man es vielleicht nicht erwartet, die meisten Menschen in der Welt leben in föderalen Staaten und viele der anderen Länder streben nach Dezentralisierung.

Zwar würde ich den deutschen Föderalismus nicht als Exportschlager bezeichnen, jedoch bemerke ich gerade jetzt bei meinen Gesprächspartnern häufig ein großes Interesse an unserem System. So auch bei Vertretern der Staaten Nordafrikas, mit denen wir in letzter Zeit häufig Kontakt hatten. In diesen Ländern spielt die Dezentralisierung von Macht im Demokratisierungsprozess derzeit eine große Rolle.

Werfen wir zum Schluss ein Blick in die nahe Zukunft. Was steht auf der Agenda des Bundesrates nach der Sommerpause?

Da ist zum einen die Reise des Bundesratspräsidenten im September nach Israel hervorzuheben. Horst Seehofer wird dort mit Staatspräsident Shimon Peres, Regierungschef Benjamin Netanjahu und dem Präsidenten der Knesset, Reuven Rivlin, zusammentreffen.

Zum anderen wird der Bundesrat in den nächsten Monaten umfangreiche Gesetzesvorhaben beraten. Der Schwerpunkt liegt sicherlich bei finanzpolitischen Themen, wie dem Bundeshaushalt und der Bewältigung der Finanzkrise. Außerdem ist mit einer Fülle weiterer Gesetzesvorhaben zu rechnen, denn erfahrungsgemäß steigt deren Zahl vor Bundestagswahlen deutlich an.

Haben Sie vielen Dank für das Gespräch.

Stand 29.08.2012

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