Das erste Kennenlernen des Bundesratsgebäudes ging am 19.11.2013 einher mit einem Crashkurs in Sachen Föderalismus und mit vielen Informationen zur Geschichte und Architektur des ehemaligen Preußischen Herrenhauses, dem heutigen Sitz des Bundesrates. Kenntnisse der deutschen Geschichte und Geografie, Politik und Kultur waren beim "Bundesratespiel" gefragt, bevor es anderntags ernst wurde.
"Politikerinnen und Politiker auf Probe"
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
Das Los wies den Jugendlichen bestimmte Plätze bei der Eröffnung im Plenarsaal zu, sodass sie sich in den verschiedensten Rollen wiederfanden: Marko Mijokovic (20) aus Braunschweig agierte fortan als Regierender Bürgermeister von Berlin - und sichtlich überrascht und von da an "etwas aufgeregt" war der Rotenburger Gymnasiast Lukas Tohoff (17): Ihm fiel das wichtigste Amt zu - die Präsidentschaft.
Der Bevollmächtigte des Landes Niedersachsen, Staatssekretär Michael Rüter, beglückwünschte ihn und die anderen 15 Ministerpräsidenten und wünschte ihnen viel Erfolg in ihrem neuen Amt.
Begrüßung durch Dr. Ute Rettler und Staatssekretär Michael Rüter
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
Allen war klar: In diesen Rollen sollten sie nicht nur nachvollziehen oder -spielen, sondern eigenständig und kreativ darstellen, wie die Länder ihre Interessen auf der Bundesebene zur Geltung bringen. Bestärkt wurden sie darin durch Dr. Ute Rettler, stellvertretende Direktorin des Bundesrates. Sie stimmte die Jugendlichen darauf ein, zu den jeweiligen inhaltlichen Problemen eigene Positionen ihrer Länder zu formulieren, aber auch mit hoher Gesprächsbereitschaft aufeinander zuzugehen: "Sie werden erleben und empfinden, wie schwierig es in der Politik ist, einen Konsens zu erreichen".
Komplizierte Probleme, schwierige Entscheidungen
Inhaltlich ging es um gesetzliche Rahmenbedingungen zur Erkundung von Möglichkeiten der unterirdischen Lagerung von Kohlenwasserstoffen, um Regelungen zur anonymen Geburt und um die gleichberechtigte Teilhabe von Frauen und Männern in Führungsgremien. Dazu lagen (fiktive) Gesetzentwürfe der Bundesregierung und zweier Länder vor. Die Teilnehmer waren gefordert, all diese Probleme aus der Sicht ihrer Länder zu beurteilen, Änderungsanträge zu erarbeiten und ihre Positionen in den Ausschüssen auch möglichst durchzusetzen.
"Bundesratsmitglieder" unter sich
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
Bei alledem waren auch die entsprechenden programmatischen Aussagen der Parteien zu bedenken - sie lagen ebenso aufbereitet vor wie die wichtigsten Informationen zur Spezifik der jeweiligen Länder und Rollen. Also: Sehr viel lesen, reden und diskutieren, abstimmen und entscheiden. Alles unter Zeitdruck - wie (fast) immer in der "richtigen" Politik. Dem Engagement der Teilnehmer tat das aber keinerlei Abbruch: Am Abend des ersten Tages lagen nach den Ausschussberatungen schon zahlreiche Beschlussempfehlungen vor.
Ganz schön anstrengend
Wie komplex und kompliziert, hektisch und stressig das politische Geschäft ist, auch wenn es hier "nur gespielt" wurde - das erstaunte nicht nur Iris Nölker (20), im Planspiel schleswig-holsteinische Ministerin für Frauen und Senioren: "Das war schon ziemlich realitätsnah und interessant, zumal man ja aus den Medien nicht allzu viel über den Bundesrat erfährt."
Immer unter Beobachtung
Schlagzeilen auf der Pressewand
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
Nicht alle Schülerinnen und Schüler aus Aurich, Syke, Braunschweig, Rotenburg, Neustadt und Bramsche versuchten sich in politischen Rollen: Mit Michelle Riewoldt (18) aus Neustadt a.Rbge. als Chefredakteurin nahmen sich die zehn Akteure des "Presseteams" vor, die inhaltlichen Diskussionen und Entscheidungen ihrer "Politiker" journalistisch darzustellen, zu kommentieren und zu erläutern. Regelmäßig präsentierten sie ihre Nachrichten und Berichte, Interviews und Hintergrundberichte in der Wandelhalle oder in eigenen Nachrichtensendungen.
Der Höhepunkt: Die Plenarsitzung
Auf der stark besuchten Plenarsitzung galt es dann, das Ausgehandelte und Durchgesetzte darzustellen, die Zugeständnisse zu rechtfertigen und die letzte Gelegenheit zu nutzen, das Abstimmungsverhalten anderer Länder vielleicht doch noch zu beeinflussen.
Die Leitung der Sitzung - Aufgabe des Präsidenten
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
Und das in aller Öffentlichkeit - neben einigen "richtigen" Medienvertretern hatten sich auch zahlreiche Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Bundesrates auf den Tribünen eingefunden. So manche Rede wurde gehalten, die vermuten ließ, dass sie nicht der letzte politische Auftritt des Einen oder der Anderen war. Auch der Präsident Lukas Tohoff agierte so souverän, dass man kaum glauben konnte, er sei hier nur "auf Probe"....
Was hat's gebracht?
"Es war sehr realitätsnah und interessant, Politik direkt vor Ort und mal aus dieser Perspektive zu erleben", meinte Kai Pigors (21) aus Syke. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident fand es auch "ganz toll", dass "seinem" Kabinett auch Jugendliche aus den anderen teilnehmenden Schulen angehörten. Für andere - zum Teil erstmalig in Berlin - war es aber auch spannend, bei dieser Gelegenheit die Hauptstadt etwas näher kennenzulernen.
Die Plenarsitzung - hier fallen Entscheidungen
© Bundesrat | Jens Wiese | 2013
"Man kann jetzt viel besser nachvollziehen, wie Politiker ticken, wie Gesetze entstehen und wie der Bundesrat funktioniert" - dieser Meinung von Joel Habekost (17) aus Braunschweig mochten sich wohl die meisten Jugendlichen anschließen.
Ausblick
Übrigens: Für 2014 ist "Jugend im Bundesrat" schon fest eingeplant - am 18./19. November gibt es "JiB" zum 7. Mal. Das "Präsidentenland" heißt dann Hessen.