NPD-Verbotsverfahren Abschließende Stellungnahme von Bundesratspräsident Stanislaw Tillich

Foto: Bundesratspräsident Stanislaw nach der Verhandlung vor dem Bundesverfassungsgericht

© dpa | Uwe Anspach

Am 3. März 2016 endete die mündliche Verhandlung zum NPD-Verbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Bundesratspräsident Stanislaw Tillich blickte in einem abschließenden Statement auf die dreitägige Verhandlung zurück.

Es gilt das gesprochene Wort.

Herr Präsident, hoher Senat,

drei Tage intensiver Verhandlung liegen hinter uns, liegen hinter Ihnen. Lassen Sie mich aus Sicht des Antragstellers noch einmal zentrale Aspekte festhalten.

Die Verhandlung hat eindrucksvoll bestätigt, was den Bundesrat bei seinen Überlegungen leitete, erneut ein Verbotsverfahren anzustrengen und nachzuweisen, hier geht es nicht um verbale Überschreitungen oder um Satire der NPD: Programm und Ideologie sind unzweifelhaft verfassungswidrig und verfassungsfeindlich. Aber nicht nur das – die NPD setzt Programm und Ideologie in politische Handlungen um. Dies sowohl unmittelbar im politischen Betrieb als auch durch ihr Hineinwirken in andere gesellschaftliche Felder, die außerhalb des politischen Betriebes liegen.

Die Wirkungen dieses Handelns spüren wir im alltäglichen politischen Betrieb. Die Landtagspräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern hat dies eindrucksvoll beschrieben. Aber es geht uns auch um die Menschen vor Ort: Sie spüren ganz unmittelbar die Folgen des Handeln und der menschenfeindlichen Ideologie der NPD. Politisch anders denkende Menschen oder Angehörige von Minderheiten, die in das Visier der NPD geraten, werden bedroht und eingeschüchtert. Dies können und wollen wir nicht akzeptieren. Die Beeinträchtigung jedes Einzelnen ist zugleich eine Beeinträchtigung der freiheitlich demokratischen Grundordnung, die eben von der Menschenwürde geprägt ist.

Deshalb sind wir als Bundesrat auf der Grundlage der Verhandlung nach wie vor überzeugt, dass die NPD im Sinne des Art. 21 Abs. 2 GG verfassungswidrig ist.

Gleichwohl - so wie ich bereits vor zwei Tagen bei meiner Einführung betonte - haben wir uns im Bundesrat die Entscheidung, ob erneut ein Verbotsantrag gestellt werden soll, nicht leicht gemacht. Zweierlei galt es zu bedenken: Welche Folgen hat ein Verbot und ist es politisch klug, ein Verbot zu beantragen? Und zum anderen: Es war klar, dass für ein Verbotsverfahren die Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung des Jahres 2003 hinsichtlich Staatsfreiheit und Quellenfreiheit aufgestellt hatte, erfüllt werden müssen.

Ich möchte festhalten: Das Verfahren hat gezeigt, dass wir als Antragsteller einschließlich aller Verfassungsschutzbehörden die Anforderungen an ein rechtsstaatliches Verfahren erfüllt haben. Die Versuche der Antragsgegnerin, hier Zweifel zu säen, erwiesen sich als untauglich und wendeten sich letztendlich gegen sie selbst.

Die Verhandlung hat bestätigt, so meinen wir, dass die auf intensiver Beratung beruhende Einschätzung, ein Verbot der NPD sei notwendig, richtig war und richtig ist. Die NPD hat hier versucht, sich als harmlos und als Opfer zu präsentieren. Aber die Widersprüche zwischen dem Auftritt der NPD-Vertreter vor Gericht und ihrem tatsächlichen Auftreten im politischen und gesellschaftspolitischen Umfeld wurden heute und in den letzten Tagen offensichtlich. Tatsächlich treten die Repräsentanten der NPD keineswegs harmlos auf. Sie arbeiten mit persönlichen Beleidigungen und Einschüchterungen jenseits einer politischen Auseinandersetzung in der Sache. Sie beschädigen die politische Atmosphäre im Land nachhaltig.

Sie untergraben die Freiheit der politischen Willensbildung und politischen Betätigung anderer. Die Gesamtheit der Aktivitäten der NPD überschreiten ganz deutlich das, was man an Zumutungen in einer durchaus auch robusten Demokratie ertragen kann.

Als sächsischer Ministerpräsident habe ich selbst beobachten können, dass sich die NPD ab Einreichung des Verbotsantrages aus taktischen Gründen nach außen hin zurückgehalten hat. Das merkte man auch deutlich am Verhalten ihrer Abgeordneten im damaligen sächsischen Landtag.

Dennoch hat sich gezeigt, dass die NPD den Kern ihrer rassistischen und menschenverachtenden Ideologie nicht verleugnen kann. Gerade die laufende Verhandlung hat gezeigt: Die NPD lehnt die Demokratie der Bundesrepublik ab. Sie hängt einer Ideologie der Volksherrschaft an, die letztlich im Denken des Nationalsozialismus wurzelt.

Da es der NPD nicht gelingt, auf Bundesebene nennenswerten parlamentarischen Einfluss zu gewinnen, zeigen sich die Auswirkungen ihrer aggressiv kämpferischen Haltung zwangsläufig, aber auch in besonderer Weise auf Landesebene und im kommunalen Bereich. Da zeigt sich auch besonders ihre Effektivität und Kampagnenfähigkeit: Sie ist Scharnier zwischen verschiedenen rechtsextremistischen Kräften, mit denen sie ideologisch verbunden ist. In diesem Zusammenhang möchte ich auf die dramatische Steigerung rechtsextremistisch motivierter Straftaten im vergangen Jahr hinweisen, die auch die Frucht einer solchen Ideologie ist. Das ist ja heute auch bereits angesprochen worden.

Wir sind deshalb der festen Überzeugung, dass es in unserer politischen Verantwortung lag und liegt, gerade als Vertreter der Bundesländer mit den uns zur Verfügung stehenden Mitteln auf ein Verbot der NPD hinzuwirken. Wir sehen uns durch den Verlauf der Verhandlung darin bestätigt.

Vielen Dank.

Stand 03.03.2016

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