Interview mit Bundesratspräsident Daniel Günther Für eine Politik, die den Menschen wieder Mut macht

Foto: Daniel Günther

© Bundesrat | Sascha Radke

Warum der kleinste gemeinsame Nenner in der Politik keine Lösung mehr ist, was sich im Bundesrat ändern sollte und welche Aufgaben Bund und Länder jetzt stemmen müssen - darüber spricht Bundesratspräsident Daniel Günther im Interview zum Beginn seiner Amtszeit am 1. November. Außerdem verrät er sein persönliches Rezept für eine erfolgreiche Verbindung von Beruf und Familie.

„Mut verbindet“ haben Sie zum Motto Ihrer Präsidentschaft gewählt. Was hat es damit auf sich?

Wir müssen den Menschen in Deutschland Mut geben. Auf Bundesebene liegt durch die langen Koalitionsverhandlungen und den schwierigen Start der Bundesregierung ein träges Jahr hinter uns, das nicht viel Zuversicht vermittelt hat. Das muss besser werden. Ich setze mich für eine Politik ein, die den Menschen wieder Mut macht. Dies passt auch zu Schleswig-Holstein, wo wir über Parteigrenzen hinweg erfolgreich zusammenarbeiten. Diesen Geist brauchen wir auch im Bundesrat, um als Länder eine konstruktive Rolle im Bund spielen zu können. Insofern passt das Motto „Mut verbindet“ perfekt zu dem Jahr, das vor uns liegt.

Was haben Sie sich vorgenommen?

Als Bundesratspräsident geht es mir nicht darum, eine Agenda mit persönlichen Themen aufzustellen. Dies würde die Rolle des Amtes verkennen. Für mich ist es wichtig, dass sich der Bundesrat für Länderinteressen stark macht - auch und gerade im Angesicht der vielen unterschiedlichen Regierungskonstellationen in den Ländern. Wir brauchen mehrheitsfähige moderne Lösungen. Da reicht es nicht, dass man sich nur unter den Parteien verständigt, so wie früher, als es nur A- und B-Länder im Bundesrat gab. Das System ist komplexer geworden. Darauf müssen wir professioneller reagieren und Antworten finden.

Klein-klein-Diskussionen helfen uns nicht weiter, wir müssen auf die großen Herausforderungen für Deutschland reagieren. Als Länder wollen wir über den Bundesrat unseren Anteil dazu beitragen.

Wie kann das vor dem Hintergrund einer nie dagewesenen Koalitionsvielfalt in den Ländern und unklarer Mehrheiten gelingen?

Wir müssen die Art und Weise unserer Politik verändern. Was wir in Schleswig-Holstein praktizieren, kann auch auf der Bundesebene funktionieren: sich gegenseitig Erfolge gönnen. Die ständige Einigung auf den kleinsten gemeinsamen Nenner führt zu schlechter Laune bei allen Beteiligten, weil man von dem, was man beschließt, nicht vollends überzeugt ist. Statt eines Wischiwaschi-Kompromisses sollte sich jeder mal mit seinen Vorstellungen hundertprozentig durchsetzen können. Dann hat man auch Lust zusammenzuarbeiten.

Foto: Daniel Günther

Daniel Günther im Interview

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Natürlich ist es schwer, Erfolge anderer zu verkaufen, die der eigenen Partei eventuell auch wehtun. Das weiß ich aus eigener Erfahrung mit meiner Koalition in Kiel. Aber ich verkaufe lieber Erfolge anderer Parteien, wenn ich im Gegenzug auch echte Erfolge für meine Partei erlangen kann. So macht Politik viel mehr Spaß und die Menschen haben dafür auch Verständnis.

Dies funktioniert aber nur, wenn man auch gewillt ist, sich von alten Mustern zu lösen. Wer nur die reine Parteilehre akzeptiert und meint, die eigene Partei habe die Weisheit mit Löffeln gefressen, und die Ziele des Anderen nicht anerkennt, ist in der heutigen Zeit falsch aufgehoben. Das hat vielleicht vor 30 Jahren noch funktioniert, heute geht es so nicht mehr.

Wie sollte sich der Bundesrat zukünftig gegenüber Regierung und Bundestag positionieren?

Nach meinem Verständnis ist der Bundesrat nicht dazu da, eine eigene Agenda in der Bundespolitik abzuarbeiten. Es geht um die Vertretung der Länderinteressen und um eine konstruktive Politik gegenüber Bundesregierung und Bundestag.

Dabei muss transparenter werden, was der Bundesrat überhaupt entscheidet und wie sich die Länder bei den Abstimmungen konkret verhalten. Die Voten der Länder müssen dokumentiert werden, damit jeder weiß, welches Land zu welchem Punkt wie abgestimmt hat. Das ist eigentlich eine Selbstverständlichkeit, die aber im Bundesrat noch nicht in allen Teilen umgesetzt ist. Diese Maßnahme würde außerdem auch zu einer Verringerung der Enthaltungen führen und dazu zwingen, klar Farbe zu bekennen. Ich hoffe, dass wir im kommenden Jahr hier einen Schritt weiterkommen.

Lässt sich damit auch die Aufmerksamkeit für den Bundesrat erhöhen, dessen Arbeit trotz ihrer Bedeutung für die Gesetzgebung in der Öffentlichkeit kaum wahrgenommen wird?

Wenn wir mehr Aufmerksamkeit für die Arbeit des Bundesrates haben wollen, dann müssen die Debatten spannender werden. Dazu gehört auch, dass wir wichtige Themen hier auch miteinander besprechen. Häufig ist es so, dass die wirklich zentralen Themen der Politik im Bundesrat gar nicht debattiert werden. Dafür bestimmen häufig Spezialthemen den Sitzungsverlauf, die für das Wohl und Wehe der Bevölkerung gar keine Relevanz haben. Dinge, die die Öffentlichkeit bewegen, müssen auch Schwerpunkte in den Plenarsitzungen sein. Dann, so meine ich, wird die Aufmerksamkeit der Bevölkerung für den Bundesrat auch wachsen.

Welches sind die dringendsten Projekte, denen sich Bund und Länder in nächster Zeit stellen müssen?

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Bundesratspräsident Daniel Günther

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Die Digitalisierung, die Erhaltung unseres Wohlstandsniveaus und der Fachkräftemangel gehören zu den wichtigsten Themen der nächsten Monate. Bei Letzterem müssen wir davon ausgehen, dass allein in Schleswig-Holstein im Jahr 2030 rund einhunderttausend Fachkräfte fehlen werden. Daher müssen wir in Bildung investieren, aber auch Kräfte aus anderen Ländern nach Deutschland holen. Dazu gibt es bereits eine erste Initiative auf Bundesebene, die in die richtige Richtung geht.

Im Bereich der Digitalisierung ist Deutschland nicht mehr führend. Hier müssen wir wieder in eine Spitzenposition kommen. Oft dauern Infrastrukturprojekte in Deutschland Jahre oder Jahrzehnte. Wenn wir in den Entscheidungs- und Planungsprozessen nicht schneller werden, können wir die Herausforderungen nicht bewältigen. Hier braucht es eine besondere Kraftanstrengung.

Braucht es dazu auch die geplante engere Verzahnung von Bund und Ländern, selbst auf Gebieten, für die bisher nur die Länder zuständig waren? Sieht so ein starker Föderalismus aus?

Föderalismus fördert Transparenz und Bürgernähe. In Deutschland sind die Entscheidungsträger viel dichter an den Menschen als das in anderen Ländern der Fall ist. Die Kehrseite dieser Struktur liegt in einer Verlangsamung der Entscheidungsprozesse. Umso mehr sind wir gefordert, konstruktiv zusammenzuarbeiten.

Beim Thema Bildung etwa kann eine stärkere Kooperation mit dem Bund durchaus positiv sein, indem man sich beispielsweise auf einheitliche Standards einigt, damit Abschlüsse wieder vergleichbar werden. Ich erlebe den Bildungsföderalismus so, dass es sich für manche Länder lohnt, mit niedrigen Anforderungen bessere Noten zu erlangen, um an bessere Studienplätze zu kommen. Einheitliche Standards könnten hingegen dafür sorgen, dass das Leistungsniveau verbessert wird und nicht nur der Notendurchschnitt. Wenn wir in diese Richtung zusammenarbeiten, ist mir auch vor einer engeren Kooperation mit dem Bund nicht bange.

Zum Schluss ein Blick auf den Menschen Daniel Günther: Wie gelingt es Ihnen als Familienvater, Ihre Partei- und Regierungsämter und nun auch noch das Amt des Bundesratspräsidenten unter einen Hut zu bringen?

Nun, in der Familie helfen mir all die Ämter am Ende nichts. Doch im Ernst: Beruf und Familie kann man unter einen Hut bekommen, wenn man es will. Ich habe da eiserne Regeln, die ich auch als Bundesratspräsident einhalten werde. Dazu gehört ein freier Tag am Wochenende ohne Termine. Ich habe bisher kaum Menschen erlebt, die dafür kein Verständnis hatten. Mein Ziel ist es nicht, immer und überall präsent zu sein. Viele stimmen mit meiner Einschätzung überein, dass man nur kreativ und produktiv sein kann, wenn man sich auch solche Auszeiten nimmt. Ich sehe darin etwas Positives und das bewahre ich mir auch.

Stand 01.11.2018

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