Finanzhilfen für die Länder Vorerst gestoppt: Geplante Grundgesetzänderung geht in den Vermittlungsausschuss

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Die Bundesländer lehnen die vom Bundestag am 29. November beschlossene Grundgesetzänderung für Finanzhilfen an die Länder ab. Sie haben am 14. Dezember 2018 einstimmig den Vermittlungsausschuss angerufen, um das Gesetz grundlegend zu überarbeiten.

Gut zwei Stunden dauerte die Debatte im Bundesrat, in der sich allein zwölf Länderchefs äußerten. Kern des Anstoßes ist die Änderung in Art. 104 b GG. Der Bundestag hatte sie auf Empfehlung seines Haushaltsausschusses extrem kurzfristig ins Gesetz aufgenommen wurde. Nach der Neuregelung müssen die Länder ab 2020 Finanzhilfen des Bundes generell zur Hälfte mitfinanzieren.

Eingriff ins Selbstbestimmungsrecht der Länder

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Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer spricht zu TOP 41.

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Damit hätten die Länder überhaupt nicht gerechnet, machte die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer in ihrer Rede deutlich. "Ich bin verärgert darüber, dass über die Hintertür so sehr in das Selbstbestimmungsrecht der Länder eingegriffen werden soll. Wir müssen zu einem kooperativen Föderalismus zurückkehren."

Wir wollen einen Fair-Play-Föderalismus

Ähnlich äußerte sich der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther: "Wir wollen einen Fairplay-Föderalismus. Darüber müssen wir losgelöst vom Digital-Pakt reden".

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Ministerpräsident Daniel Günther aus Schleswig-Holstein spricht zur Änderung des Grundgesetzes.

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"Der Digitalpakt und die Grundgesetzänderung haben nichts miteinander zu tun", betonte auch Winfried Kretschmann. "Wir alle sind uns einig, dass wir bei der Digitalisierung absolut Gas geben müssen. Umso mehr ärgert es mich, dass den Ländern derzeit vorgeworfen wird, sie blockieren den Digitalpakt."

Frontalangriff auf die föderale Ordnung

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Der Ministerpräsident aus Baden-Württemberg Winfried Kretschmann bei seinem Redebeitrag zu TOP 41.

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Die Änderungen des Bundestages bezeichnete Kretschmann als Frontalangriff auf die föderale Ordnung. Dabei verwies er auf das in Art. 104 b GG vorgesehene Steuerungsrecht und die Kofinanzierung. Beides müsste im Zusammenhang mit den Änderungen in Art. 104 c GG gesehen werden, wonach der Bund künftig auch in Schulpersonal und Qualität investieren kann.

Ausdrücklich warnt Kretschmann vor einer Entmachtung der Kultusministerkonferenz. Bildung müsse Ländersache bleiben, der Wettbewerb täte der Bildung gut, unterstreicht er. Den Vorwurf, dass Länder ihnen zur Verfügung gestellte Gelder nicht zweckgerichtet verwenden, wies er entschieden zurück: "Das Gute-Kita-Gesetz ist ein gutes Beispiel dafür, dass Länder Finanzhilfen dort einsetzen, wo sie hingehören."

Hoffentlich ein einmaliger Ausrutscher

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Der niedersächsische Ministerpräsident Stephan Weil bei seiner Rede zur geplanten Grundgesetzänderung.

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Auch Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil kritisierte die kurzfristige Änderung von Art. 104 b GG. Er hoffe, dass es sich dabei um einen einmaligen Ausrutscher in der Zusammenarbeit zwischen Bund und Länder handelt. Zugleich betonte er, dass es im bevorstehenden Vermittlungsverfahren nicht nur um Spielfragen, sondern um einen harten Dissens in der Sache gehe. "Bei den Verhandlungen braucht es viel guten Willen und Pragmatismus", erklärte er.

Grundgesetzänderung geht deutlich über Koalitionsvertrag hinaus

Dem schloss sich der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier an, fügte aber hinzu: "Zwischen Pragmatismus und Klugheit ist häufig ein sehr schmaler Grad". Deutlich machte er, dass die beschlossene Grundgesetzänderung über das hinausgehe, was im Koalitionsvertrag steht. Danach hätte die Grundgesetzänderung eigentlich nur ermöglichen sollen, dass der Bund die Länder unabhängig von ihrer finanziellen Situation bei der Bildung unterstützen kann.

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Der Ministerpräsident Volker Bouffier aus Hessen bei seiner Rede zu TOP 41.

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"Hier werden Grundelemente für sehr vordergründige Ziele verschoben", kritisierte der hessische Ministerpräsident. Wer im Grundgesetz die Frage der Qualität öffnet, der müsse auch über Inhalte reden. "Das halte ich für falsch", erklärte er ausdrücklich. "Wenn in einem Land alle für alle zuständig sind, ist am Ende niemand mehr verantwortlich", warnte Bouffier.

Ein vergiftetes Geschenk

Der thüringische Ministerpräsident Bodo Ramelow richtet den Blick vor allem auf die Wirkung von Art. 104 b GG: "Er macht arme Länder ärmer und reiche Länder reicher. Der Artikel ist ein vergiftetes Geschenk der schlimmsten Art und Weise", erklärte er scharf.

In eine ähnliche Richtung ging die Kritik von Bremens Bürgermeister Sieling: „Das grundgesetzliche Ziel, in den Ländern gleichwertige Lebensverhältnisse herzustellen, wird mit der Regelung konterkariert."

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Der Ministerpräsident Tobias Hans aus Saarland zur Grundgesetzänderung.

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Auch der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans warnte davor, Bundesprogramme so zu organisieren, dass finanzschwache Länder die Mittel nicht abrufen können: "Solche Programme sind kontraproduktiv. Die gerade eingerichtete Kommission für gleichwertige Lebensverhältnisse können wir uns dann auch gleich sparen."

Föderalismus braucht gegenseitiges Vertrauen

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet unterstrich die Notwendigkeit des gegenseitigen Vertrauens für einen funktionierenden Föderalismus.

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Armin Laschet, Ministerpräsident Nordrhein-Westfalens, bei seiner Rede zu TOP 41.

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"Das was der Bundestag in Art. 104 b in einer Sitzung von Donnerstag auf Freitag beschlossen hat, hat mit gegenseitigem Vertrauen aber nichts mehr zu tun. Das Schlimme bei der Sache ist, dass in der Öffentlichkeit der Eindruck entsteht, die Länder sagten einfach Nein. Und das in einer Zeit, in der Populisten die Institutionen ohnehin schon in Frage stellen."

Die Länder wollen weitergehen

Auch die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern Manuela Schwesig äußerte ihr Unverständnis über die Änderung von Art. 104 b GG.

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Manuela Schwesig, Ministerpräsidentin aus Mecklenburg-Vorpommern, bei ihrem Debattenbeitrag zu TOP 41.

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Zur Anrufung des Vermittlungsausschusses erklärte sie: "Das heutige Signal des Bundesrates ist keine Blockade, sondern das genaue Gegenteil: Die Länder wollen weitergehen." Zugleich unterstrich sie die Notwenigkeit eines zügigen Vermittlungsverfahrens: "Die Politik kann es sich nicht leisten, bei einem so wichtigen Thema wie der Bildung lange im Clinch zu liegen."

Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher betonte nachdrücklich: "Im Ermittlungsverfahren muss eine Einigung zu Regelung gefunden werden, die zur Umsetzung des Digitalpakts erforderlich sind. Und nichts darüber hinaus."

Bundestag und Bundesrat sind auf Augenhöhe

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder richtete den Blick noch einmal aufs große Ganze und betonte, dass es bei der Debatte um die entscheidende Frage gehe, wie Bund und Länder zusammenwirken: "Bundestag und Bundesrat begegnen sich nach der Verfassung auf Augenhöhe. So soll das auch bleiben."

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Der bayrische Ministerpräsident Markus Söder in der Debatte zur Grundgesetzänderung.

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Ähnlich Bouffier warnte auch er vor einem tiefgreifenden Eingriff in die Länderkompetenzen, wenn der Bund künftig bei der Qualität der Bildung mitredet. "Bildungspolitik ist Ur-Ländersache" erklärte er und unterstrich: "Wir wollen Föderalismus, aber keinen Förderalismus. Geld und Kompetenzen dürfen nicht auseinander dividiert werden. Notwendig ist die Kooperation zwischen Bund und Ländern. Sie bedeutet aber keine Unterordnung".

Video zur Debatte

Stand 14.12.2018

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