Interview mit Kurt Biedenkopf zu 70 Jahren Bundesrat "Ich halte ihn nach wie vor für unverzichtbar"

Kurt Biedenkopf im Präsidium der 752. Sitzung am 7. Juni 2000

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Prof. Dr. Kurt Biedenkopf ist früherer Ministerpräsident von Sachsen und ehemaliger Bundesratspräsident. Im Interview blickt er zurück auf die Geschichte und Bedeutung des Bundesrates - vor und nach der Widervereinigung.

70 Jahre Bundesrat - hat er sich bewährt?

Ich halte ihn nach wie vor für unverzichtbar. Weil die Länderregierungen und Ministerpräsidenten ihre eigenen politischen Vorstellungen und Interessen der Länder in die Bundesgesetze einbringen und letztendlich beschließen. Er ist ein hervorragendes Gremium, friedensstiftend und macht nicht jedes Mätzchen mit. Er hat nicht diese Aufgeregtheit wie der Bundestag. Die Mitglieder, die im Bundestag sitzen, tragen eine persönlich erkennbare Verantwortung.

Wie haben Sie den Bundesrat in Bonn wahrgenommen?

Die Politik war weniger kompliziert als heute, es gab weit weniger Probleme. Bis 1989 hat man sehr für sich gelebt.

Wie hat sich der Bundesrat durch die Wiedervereinigung verändert?

Gar nicht. Er ist ein Gremium wie der Bundestag. Er hat eine Struktur. Es gibt Veränderungen der Vorstellungen, der Integrationsbereitschaft, der Menschen. Die Politiker tragen Verantwortung und müssen dafür sorgen, dass die Länder funktionieren.

In Ihrer Eröffnungsrede am 29. September 2000 nach dem Umzug von Bonn nach Berlin sagten Sie, wollte man eine europäische Verfassung schreiben, müsste man die bundesstaatliche Ordnung Deutschlands als bevölkerungsreichstem Staat in der Mitte der Europäischen Union verankern. Denn erst die mit dieser Ordnung gewährleistete Machtverteilung innerhalb Deutschlands und die Selbstständigkeit der Länder mache die deutsche Nation europaverträglich. Der Ruf wird heute laut, eine Föderalismuskommission III zu gründen mit dem Ziel, die Zahl der Länder zu verringern. Halten Sie das für europaverträglich?

Kurt Biedenkopf bei der 744. Sitzung am 5. November 1999

Kurt Biedenkopf bei der 744. Sitzung am 5. November 1999

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Die Diskussion zeigt ein Auf und Ab. Ich halte die Verringerung für unwahrscheinlich. Wir haben den Artikel 146 im Grundgesetz, der besagt, „es (das Grundgesetz) verliert seine Gültigkeit an dem Tage, an dem eine Verfassung in Kraft tritt, die von dem deutschen Volke in freier Entscheidung beschlossen worden ist.“ Die ist nicht in Sicht.

Die Ostdeutschen hatten bisher nie die Gelegenheit, das Grundgesetz mitzugestalten. 1948/49 war das nicht möglich, 1989 wurde es ihnen nicht ermöglicht. Also blieb ihnen nach dem Mauerfall nur der Anschluss an die Bundesrepublik. Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass sich viele in den ostdeutschen Ländern als Menschen zweiter Klasse empfinden.

Sie waren am Gründungstag des Bundesrates, am 7. September 1949, 19 Jahre alt. Was haben Sie davon mitgekriegt?

Nichts. Ich bin an dem Tag mit einem amerikanischen Truppentransportschiff von Bremerhaven aus nach New York aufgebrochen. Die Reise dauerte eine Woche. Mein Schlafplatz war eine Hängematte im untersten Deck, es gab weder Telefon noch Nachrichten. Nach Ankunft habe ich in Washington meine Cousine besucht und bin dann nach North Carolina weitergereist, um dort an einem College ein knappes Jahr zu studieren. Informationen über die Entwicklung in Deutschland gab es praktisch nicht. Ich habe erst nach meiner Rückkehr nach Deutschland vom Bundesrat erfahren.

Stand 28.06.2019

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