Obwohl die DDR sich bei Prestigebauten normalerweise keine Blöße gab und sie instand setzte, war das Preußische Herrenhaus an der Leipziger Straße vergessen. Das hatte viel mit seiner Lage zu tun. Bis zum Eingang des Gebäudes kamen damals nur wenige, denn es gehörte schon zum kaum zugänglichen Ost-Berliner Grenzgebiet an der Mauer. Von den West-Berliner Aussichtspodesten aus gesehen war es das erste Haus im Osten nach dem breiten Todesstreifen.
Bundesratspräsident als Zeitzeuge
Einer der Mitarbeiter, die vor dem Mauerfall Zugang zum ehemaligen Preußischen Herrenhaus hatten, war Bundesratspräsident Dietmar Woidke. Er arbeitete damals als Redakteur einer wissenschaftlichen Zeitung zum Thema Tierernährung für den Akademie-Verlag, der unter anderem dort seinen Sitz hatte.

Bundesratspräsident Dietmar Woidke vor einem historischen Foto des Herrenhausgebäudes
© Bundesrat | Sascha Radke
"Es war nur ein Steinwurf zur Berliner Mauer, über die Erich Honecker schwadronierte, sie würde sicher noch 100 Jahre stehen", erzählte Woidke in einem Interview zum Amtsantritt als Bundesratspräsident. "Zum Glück kam es anders. Niemals hätte ich mir damals vorstellen können, dass ich einst als Mitglied des Bundesrates in dieses Haus zurückkehren würde."
Bis zum Ende der DDR war das Haus im neoklassischen Stil stark heruntergekommen. Der dem Gebäude vorgelagerte Ehrenhof glich einem Dschungel. In den meisten Teilen des Gebäudes waren Kriegsschäden nur notdürftig beseitigt worden. In dem durch eine Brandbombe zerstörten Plenarsaal des Preußischen Herrenhauses war die Glasdecke nur behelfsmäßig repariert worden - es regnete herein.
Zwischendecke und Zwischennutzung

Die Wandelhalle mit eingezogener Zwischendecke und Bauschutt.
© Bundesrat | von Steffelin
In der einst reich ausstaffierten Wandelhalle vor dem Plenarsaal hatte man zu DDR-Zeiten auf halber Höhe eine Zwischendecke eingezogen, um darüber die Küche für Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen des Haus zu installieren.
Wie sehr diese baulichen Veränderungen zusammen mit den Kriegsschäden dem Raum und der Kunst schadeten, kann man an den Deckenfresken erkennen. Diese sind heute nur noch bruchstückweise vorhandenen
Plötzlich mittendrin
Ein neues Zeitalter brach für das Herrenhausgebäude am 12. November 1989 an, als in unmittelbarer Nähe, am Potsdamer Platz, Mauersegmente entfernt und ein Grenzübergang errichtet wurde. Die bereits vorhandenen Übergänge, unter anderem der nahegelegene Checkpoint Charlie, waren dem Ansturm der von Ost nach West drängenden Menschen nicht mehr gewachsen.

Grenzübergang am Potsdamer Platz, Blick Richtung Preußisches Herrenhaus
© Bundesrat
Am gleichen Tag kam der damalige Bundespräsident Richard von Weizsäcker an den Übergang. Ein DDR-Grenzoffizier, völlig desorientiert, an wen er sich noch halten konnte, sah ihn, ging auf ihn zu und vermeldete: „Herr Bundespräsident, keine besonderen Vorkommnisse.“
Nach dem Abriss der Mauer wurde das Gebäude praktisch in die Mitte Berlins katapultiert. Auf einmal stand es nach vielen Jahren im Dornröschenschlaf wieder an einer der meistbefahrenen Straßen im Herzen der Stadt. In den 90er Jahren entwickelte sich das Gebiet rund um den Potsdamer Platz rasant. Nach dem Hauptstadtbeschluss entschied 1996 auch der Bundesrat von Bonn nach Berlin umzuziehen. Auf der Suche nach einer geeigneten Immobilie fiel die Wahl schnell auf das Herrenhausgebäude, das sich hinsichtlich seines Ursprungs als Parlamentssitz, seiner Lage und Geschichte hervorragend dafür eignete.
1997 begann der Umbau unter der Leitung des Architekturbüros Schweger & Partner. Im Jahr 2000 bezog der Bundesrat schließlich sein neues repräsentatives Domizil in der Hauptstadt des wiedervereinigten Deutschlands.
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